Sonntag, 13. März 2016
Europäer auf schmerzhaftem Zinsentzug.
Statt Freude empfinden sie – folgt man den Medien - Frust. Vor 200 Jahren war das ganz anders. Von dem anerkannten, vielseitigen Gelehrten Max Weber (1864 – 1920) wird 1922 posthum das Werk „Wirtschaft und Gesellschaft“ veröffentlicht. Auf Seite 437 ist zu lesen:

„…Beispielsweise ist in der katholischen Kirche im 19. Jahrhundert das Zinsverbot trotz seiner biblischen und durch päpstliche Dekretalen festgelegten ewigen Geltung dennoch faktisch außer Kraft gesetzt. Nicht offen in einer (unmöglichen) Aufhebung, sondern durch eine unscheinbare interne Anweisung des heiligen Offiziums an die Beichtväter, fortan nach Verstößen gegen das Zinsverbot im Beichtstuhl nicht weiter zu forschen und die Absolution zu erteilen, vorausgesetzt: dass die Gewissheit bestehe, das Beichtkind würde, falls der Heilige Stuhl künftig einmal auf die alten Grundsätze zurückgreifen sollte, sich diesem Entscheid in Gehorsam fügen…“
Auf Seite 452 heißt es:

„…Der ursprüngliche Grund der Zinsperhorreszierung liegt durchweg in dem Bittleistungscharakter der primitiven Notdarlehn, welcher den Zins ‚unter Brüdern‘ als Verstöße gegen die Nothilfepflicht erscheinen lassen musste.“
Wir haben uns längst in Umkehrung früher herrschender Ansichten an die Zinslast pro rata und ein Großteil der Bevölkerung in der hiesigen Gesellschaft an den Zinsertrag über die Festlegungsdauer gewöhnt, dass deren Tendenzen in den Wegfall panikartige Zustände auslöst. Der preistreiberische Charakter von „Zinsen“ wird kaum wahrgenommen.
Die Europäer sind mehrheitlich längst zu Kapitalbesitzern geworden. Hartz IV – Empfängern ist der Zutritt verwehrt. Sie allein sind noch bibelfest. Ob das ein Trost ist?

Will der katholische Römer Mario Draghi, Jesuitenschüler, Wirtschaftswissenschaftler und Präsident der EZB, zurück in der Zeit zur bibeltreuen Auslegung früherer Päpste, wenn er diese revolutionär erscheinende Zinspolitik betreibt?
Welchen Einfluss hat der Papst Franziskus?

© Karl Wilhelm Goebel

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