Samstag, 11. August 2012
Hoffnung
Wenn schon die Illusionen bei den Menschen
eine so große Macht haben,
dass sie das Leben in Gang halten können –
wie groß ist dann erst die Macht,
die eine begründete Hoffnung hat?
Deshalb ist es keine Schande, zu hoffen,
grenzenlos zu hoffen!

Als sechstes von acht Kindern wurde Dietrich Bonhoeffer kurz vor seiner Zwillingsschwester Sabine am 4. Februar 1906 in Breslau geboren. Der Vater war der Psychiater und Neurologe Karl Bonhoeffer, die Mutter Paula, eine geborene von Hase, war Lehrerin.
Bonhoeffer studiert evangelische Theologie, promoviert 1927 in Berlin und legt 1928 das Erste theologische Examen ab. Das anschließende Vikariat leistet er in Barcelona. 1929/30 ist er Assistent an der Berliner Theologischen Fakultät und vollendet seine Habilitation. Nach einem Studienaufenthalte in USA arbeitet er in Berlin und ist Jugendsekretär des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen. Von 1933 bis 1935 übernimmt er ein Auslandspfarramt in London, unterstützt Flüchtlinge aus Deutschland. Das Ausmaß der menschenverachteten Politik in seiner Heimat wird ihm immer klarer. Und die Reichskirche schweigt, ist sich gar in der „Judenfrage“ mit dem Regime einig.

„Tu deinen Mund auf für die Stummen (Spr. 31/8) – wer weiß denn das heute noch in der Kirche, dass dies die mindeste Forderung der Bibel in solchen Zeiten ist?“ schreibt er einem Freund aus London.

Bonhoeffer muss zurück nach Deutschland. Die Nazis haben seine Abberufung gefordert und die Reichskirche bezieht gegen ihn Stellung. Er schließt sich der neu formierten Bekennenden Kirche an, die Christentum und die NS- Rassenideologie als miteinander unvereinbar erklärt und wird von der zum Leiter des Predigerseminars in Finkenwalde berufen, das aber schon wenig später auf Erlass Himmlers geschlossen wird. Bonhoeffer macht im Untergrund weiter, trotz Rede- und Schreibverbot. Die Bekennende Kirche wird verboten.

„Wieso macht die Kirche ihren Mund nicht für die Verfolgten des Naziregimes auf? Warum schweigt sie? Wieso sind die Christen so, wie sie sind, so verstrickt in das Gedankengut ihrer Zeit? Bis heute?“

Seine Lage wird schwieriger. Alle atmen auf, als er 1939 vom Union Theological Seminary erneut in die USA eingeladen wird. Freunde drängten ihn zu emigrieren. Die angepasste Reichskirche war froh, ihn so billig los zu werden. Im Juni zieht er ins Seminar ein, im Juli bereits wieder aus und kehrt mit einem der letzten Schiffe zurück. Hat er Heimweh? Nein! „Seit ich auf dem Schiff bin, hat die innere Entzweiung über die Zukunft aufgehört“, notiert er. Dietrich Bonhoeffer hat sich entschieden. Er wird dem Morden der Terrordiktatur nicht tatenlos zusehen.

Nach seiner Rückkehr stößt er bei seinen Freunden auf Unverständnis: er hat sich verändert. Der Krieg hat längst angefangen, geht weiter. Bonhoeffer arbeitet nicht mehr für die Kirche.
1940 erhält er über seinen Schwager Hans von Dohnanyi Anschluss an den politisch-militärischen Widerstand um Admiral Wilhelm Canaris, der ihn im Amt Ausland/Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht (OKW) beschäftigt. Als Verbindungsmann und Kurier knüpft Bonhoeffer mit Hilfe seiner ökumenischen Kontakte Verbindungen zwischen den westlichen Regierungen und dem deutschen Widerstand. Seine Geschwister, Klaus und Christine, Frau von Hans von Dohnanyi, engagieren sich ebenfalls im Widerstand. An der Planung von Hitlerattentaten war er nicht beteiligt.
Unter anderem mit Helmuth von Moltke* unternahm er 1941/42 für die deutsche Spionageabwehr Reisen nach Norwegen, in die Schweiz und nach Schweden. Dort traf er mit George Bell, dem Bischof von Chichester zusammen und übergab ihm geheime Dokumente für die britische Regierung. Damit verbunden war die Bitte um eine öffentliche Erklärung der Alliierten, zwischen Deutschen und Nazis nach Kriegsende zu unterscheiden. Der britische Außenminister Anthony Eden ließ Bell jedoch wissen, dass eine Unterstützung des Widerstands oder auch nur eine Antwort nicht im nationalen Interesse Großbritanniens liege.

Am 13. und 21. März 1943 verübten Angehörige der Gruppe um Canaris, Hans Oster und Klaus Bonhoeffer Sprengstoffanschläge auf Adolf Hitler, die fehlschlugen. Am 5. April wurde Dietrich Bonhoeffer gleichzeitig mit seinem Schwager Hans von Dohnanyi wegen „Wehrkraftzersetzung“ verhaftet. Gerade zwei Monate war er mit Maria von Wedemeyer verlobt. Erst langsam beginnt seine junge Verlobte die Tragweite von Dietrichs Handeln zu ahnen. Er hat geschwiegen, um sie zu schützen. Ihre Liebe blüht gerade aus der Trennung auf und entfaltet sich in wunderbaren Briefen. Zwei Jahre ist er in Berlin inhaftiert. Er findet Menschen im Gefängnis, die ihn unterstützen.
Wer war Unteroffizier Knobloch? Ein Arbeiterkind aus dem Berliner Norden entscheidet sich, Dietrich Bonhoeffer zu helfen. Er ermöglicht, dass Texte und Bücher in die Zelle 92 in Tegel hinein und aus ihr heraus gelangen. Knobloch ist sogar bereit, Bonhoeffer zur Flucht zu verhelfen. Alles ist für den 2. Oktober 1944 vorbereitet. Geld, Lebensmittelkarten und einen Blaumann hat Knobloch für Dietrich besorgt. Doch als am 1. Oktober Dietrichs Bruder Klaus verhaftet wird, gibt der alle Fluchtpläne auf, um die Familie nicht noch mehr zu gefährden. Wenige Tage später wird er in das berüchtigte Gefängnis in die Prinz-Albrecht-Straße überführt.

Anfang 1945 wütet der Volksgerichtshof unter der Widerstandsbewegung. Vorsitz führte der zynische und brutale Roland Freisler. Fast 5000 Menschen werden gefoltert, verurteilt und zum großen Teil ermordet. Dietrich Bonhoeffer wird ins KZ Buchenwald verlegt; während sein Bruder Klaus und Schwager Rüdiger Schleicher zum Tod verurteilt werden. Er betet viel in Buchenwald und er wird erhört - Freisler stirbt bei einem Luftangriff in Berlin. Jetzt wird alles gut. Der Krieg ist bald zu Ende.

Plötzlich werden wichtige Gefangene mit Lastkraftwagen in den Süden Deutschlands verfrachtet. Bonhoeffer ist unter ihnen. Er landet im Bayrischen Wald, 40 Km von Passau entfernt. Es kann nicht mehr lange dauern, bald haben sie es geschafft, haben Angst und Schrecken ein Ende.

In einer Lagebesprechung des Führerhauptquartiers vom 5. April 1945 wurde die Ermordung der Mitglieder der Widerstandsgruppe um Canaris beschlossen. Hans von Dohnanyi muss auf einer Bahre zu seiner Hinrichtungsstätte getragen werden. Er stirbt in Sachsenhausen am gleichen Tag wie Dietrich Bonhoeffer im KZ Flossenbürg. Am 9. April 1945 wird der Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer nackt mit einer Klaviersaite erhängt. Mit Bonhoeffer werden an diesem Morgen noch weitere Männer des Widerstandes ermordet: General Hans Oster, Admiral Wilhelm Canaris, Heereschefrichter Karl Sack und Hauptmann Ludwig Gehre- und das alles wenige Tage bevor amerikanische Truppen das Lager erreichen.

„Warum dies Sterben, jetzt, zum Schluss des Krieges?
Das Ende vor dem Ende, statt des Sieges?“ (…)

Durch seine Hinrichtung im KZ Flossenbürg wurde Dietrich Bonhoeffer nicht automatisch zum Märtyrer. Im Gegenteil. Bis weit in die 60er Jahre hinein distanzierte sich die Kirche von diesem beeindruckenden Theologen. Kein Gemeindehaus, keine Kirche wurde nach ihm benannt. Der Grund: Bonhoeffer sei nicht als Christ und Pastor, sondern als politischer Widerstandskämpfer hingerichtet worden. Mit anderen Worten: Morde dieser Art gingen die Kirche nichts an.

Erst viele Jahrzehnte später wird das Todesurteil gegen Bonhoeffer und andere Widerstandskämpfer endgültig für rechtswidrig erklärt: Das Berliner Landgericht rehabilitiert sie 1996. Studenten und Dozenten der evangelischen Fachhochschule Hannover hatten zum 90. Geburtstag Bonhoeffers einen Antrag auf Aufhebung des Urteils gestellt.

* Januar 1945: Richter Roland Freisler verkündet Moltkes Todesurteil wegen Hochverrats. Da ihm keine Beteiligung am Attentat nachgewiesen werden kann, wird ihm vor allem seine christliche Grundhaltung zur Last gelegt. 23. Januar: Helmuth James Graf von Moltke wird in Berlin-Plötzensee durch den Strang hingerichtet
Seine Witwe, Freya Gräfin von Moltke starb Anfang 2010 im Alter von 98 Jahren in ihrer Wahlheimat Vermont.

©Jürgen Zimmer
(Quellen: Bundesgerichtshof, Bundeszentrale für politische Bildung)

... link (0 Kommentare)   ... comment


Der Groschen ist gefallen
Kürzlich wurde ich auf die Bezeichnung „Groschen“ angesprochen. Die Dame fand es schade, dass der Begriff in Vergessenheit gerät und bat mich herauszufinden, ob es zu dem Thema etwas zu sagen gibt. Gibt es, und gar nicht mal wenig.
Der Groschen hat eine lange Geschichte und wurde als Bezeichnung für verschiedene Münzen verwendet. Das Wort ist dem italienischen „denaro grosso“ entlehnt. Der erste deutsche Groschen soll 1271 in Meran (Tirol) geprägt worden sein. Ursprünglich war der Groschen eine massive Münze aus reinem Silber und stellte ein Mehrfaches des Pfennigs dar. Dem Meraner Groschen folgten unter anderen der Böhmische, der Prager und der Meißner.
Die beiden Letzteren errangen überregionale Bedeutung und beeinflussten das Deutsche Münz-wesen stark. Der Groschen zu 12 Pfennigen war weit verbreitet.
Erst im 18. und 19. Jahrhundert sank der Groschen, ebenso wie der Pfennig immer mehr zur Scheidemünze ab, das heißt, dass der aufgedruckte Wert größer als der Materialwert ist. Der Begriff „Scheidemünze“ bedeutete das „Scheiden (Trennen) von Käufer und Verkäufer auf Heller und Pfennig beim Kaufvorgang“.
Nach Einführung der Mark zu 100 Pfennigen im Jahr 1871 fiel der Groschen als eigenständige Münze weg. Bis zur Einführung des Euro und Cent als Bargeld zum 1. Januar 2002 wurden die 10 Pfennig-Münzen umgangssprachlich als Groschen bezeichnet.
Der Groschen war derart weit verbreitet, dass er in viele Redewendungen und Gegenstands-bezeichnungen Eingang gefunden hat. So sagt man Der Groschen ist gefallen, wenn jemand etwas „endlich begriffen“ hat. Die Bezeichnungen Parkgroschen suggeriert gar ein eigenständiges Objekt, während der Notgroschen eine rein Sinngemäße Übertragung ist. Besonders billig zu erhaltende Gegenstände waren Groschenware oder Groschenhefte; diese Bedeutung klingt auch an im Titel Dreigroschenoper von Bertolt Brecht.
Und wenn wir schon dabei sind: da gibt es ja noch den bereits erwähnten Heller und den noch nicht genannten Batzen. Jeder hätte gern einen „Batzen Geld“, steht dieser Begriff doch umgangssprachlich für eine durchaus ansehnliche Menge an Geld. Weniger bekannt ist, dass sich die Bezeichnung „Batzen“ von Bären ableitet. Bei Batzen handelte es sich nämlich ursprünglich um kleine Silbermünzen, die in Bern – der Stadt der Bären – geprägt wurden. Aus dem Wort Bär (oder Bätz) entwickelte sich dann im Laufe der Zeit der Begriff Batzen.
In einem bekannten Soldaten- und Trinklied aus dem Jahre 1830 heißt es: Ein Heller und ein Batzen, die waren beide mein. Der Heller ward zu Wasser, der Batzen ward zu Wein […]
Dem Text können wir bereits einige Informationen entnehmen. Für den Heller gab es lediglich Wasser, sein Wert war also geringer als der des Batzens, denn dafür konnte man schon Wein kaufen. In der Tat war der Heller, genannt nach der Stadt Hall am Kocher (heute Schwäbisch Hall) einen halben Pfennig wert.
In der süddeutschen Region galt: 8 Heller = 4 Pfennig, gleich 1 Kreuzer. Und 4 Kreuzer waren 1 Batzen, also 32 Heller oder 16 Pfennige und dafür gab’s schon eine Menge Wein.
Nun ist der Groschen doch bestimmt gefallen. Diese Redewendung kennen auch die Engländer (wo der Pfennig als Penny noch weiterlebt), dort heißt es: The penny has dropped.
© J. Zimmer

... link (0 Kommentare)   ... comment


Eine wahre Geschichte...
An einem kalten Januarmorgen spielt ein Mann in Jeans und Baseballkappe in der U-Bahn- Station L'Enfant Plaza von Washington DC auf einer Violine Stücke von Johann Sebastian Bach, Franz Schubert und anderen. Er begann mit Bachs ebenso bekannter wie schwierigen Chaconne in d-Moll. Die meisten Menschen sind auf dem Weg zur Arbeit.
Nach etwa drei Minuten verlangsamt ein Passant seine Schritte, schaut zu dem Musiker, geht dann aber weiter. Vier Minuten später wirft eine Frau einen Dollar in den offenen Geigenkasten, ohne ihr Tempo zu verringern. Sechs Minuten später lehnt sich ein Mann gegen die Wand und hört zu. Nach kurzer Zeit schaut er auf die Uhr und geht weiter.
Zehn Minuten später: Ein vielleicht dreijähriger Junge bleibt stehen und schaut den Geiger an. Seine Mutter zieht in weiter. Mehrere andere Kinder verhielten sich ebenso. Alle Eltern, ohne Ausnahme, drängten ihre Kinder zum Weitergehen.
Ohne abzusetzen spielt der Musiker 40 Minuten lang. Bis dahin sind 1097 Personen an ihm vorbei gehastet, sechs blieben stehen und hörten kurze Zeit zu. Etwa 20 Personen schenkten ihm Geld. Der Mann hat 32,17 Dollar eingenommen. Nun beendet er sein Spiel. Niemand applaudiert, niemand nimmt Notiz von ihm. Es gibt keine Anerkennung.
Der Mann war Joshua Bell, einer der größten Violinisten unserer Zeit. Er spielte auf einer Stradivari die Fritz Kreisler einst in der ganzen Welt gespielt hatte. Sie hat einen Wert von etwa 3,5 Millionen Dollar. Zwei Tage zuvor spielte Bell vor ausverkauftem Haus in Boston die gleichen Stücke zu einem Durchschnittspreis von 100 Dollar pro Platz.
Auftraggeber dieses sozialen Experiments über Wahrnehmung, Geschmack und Prioritäten war die Washington Post.
Folgende Fragen warf das Experiment auf:
• Können wir Schönheit in einem alltäglichen Umfeld, zu einem angemessenen Zeitpunkt, wahrnehmen?
• Wenn dem so ist, nehmen wir uns die Zeit sie Wertzuschätzen?
• Erkennen wir Talent in einem unerwarteten Kontext?
Für Joshua Bell war das offenbar ein gelungener Lernprozess über Kunstöffentlichkeit, den Wert des Künstlers und zudem eine Grenzerfahrung sein Tun und seinen Ruhm betreffend: „Wenn ich für Eintrittskartenbesitzer spiele, habe ich schon einen Wert. Da habe ich nicht das Gefühl, dass ich erst akzeptiert werden muss, denn da bin ich es bereits". Da hat sich ein berühmter Musiker von den Medien überreden lassen zu einer raren, soziologisch aufschlussreichen Musikaktion, zu einem Selbstversuch mit dem Publikum als dem „flüchtigen" Wesen. Bar jeden Schutzes durch Karriere und Konzertsituation wollte Joshua Bell gewiss nicht nur sich und anderen einen Spaß machen, sondern auch erkennen, dass sein eigener Status als Virtuose, als privilegierter, vom Erfolg verwöhnter Starmusiker auch dank dieser Erfahrung nicht ohne Verstörung bleibt.
Der Journalist Gene Weingarten hat für seinen Artikel, in dem er dieses Experiment beschrieben und kommentiert hat, 2008 den Pulitzer-Preis für Fachjournalismus (feature writing) erhalten.
©J. Zimmer
11. August 2012

... link (1 Kommentar)   ... comment


Wat is en Börse?
Fragen wir doch mal wie Professor Bömmel aus der Feuerzangenbowle: Wat is en Börse? Da stelle mehr uns janz dumm; und da sage mer so: Eine Börse ist ein organisierter Markt für Aktien, Anleihen, Devisen, oder bestimmte Waren. Ebenso werden hiervon abgeleitete Rechte gehandelt. An der Börse setzen Makler während der Handelszeiten Kurse (Preise) fest, die sich aus den bei ihnen vorliegenden Kauf- und Verkaufsaufträgen (Orders) ergeben. Durch Angebot und Nachfrage kommt es so zu einem Handel.
So, nu wisse mehr wat en Börse is. Aber wissen Sie auch wie und wo sie entstanden ist?
Die Grundlagen der heutigen Börse wurden im späten Mittelalter in den norditalienischen Städten gelegt. Dort wurden die großen Grundkonzepte des modernen Bank- und Börsenwesens (z. B. der Wechsel, die Gesellschaftsform und das Bankwesen mit bargeldlosen Zahlungsmitteln) zuerst entwickelt und über Brügge in Nordwest-Europa eingeführt.
Brügge lag im vierzehnten Jahrhundert am Schnittpunkt zweier großer Handelsimperien, nämlich dem Mittelmeerraum mit den Italienern und dem Gebiet rund um die Ostsee mit der deutschen Hanse. Die Maklerfunktion zwischen den verschiedenen ausländischen Kaufleuten wurde in Brügge oft von den Gastwirten übernommen. Sie boten den ausländischen Kaufleuten nicht nur eine Unterkunft, sondern vertraten sie auch. Angesichts seiner zentralen Rolle für den Handel war der Beruf des Gastwirts einer der angesehensten Berufe der Stadt.
Eine der bedeutendsten Gastwirtsfamilien in Brügge war die Familie Van der Buerse. Sie führten über fünf Generationen das Gasthaus „Ter Buerse“.
Im Verlauf des vierzehnten Jahrhunderts entwickelte sich der kleine Platz vor dem Gasthaus Ter Buerse zum Handels- und Finanzzentrum der Stadt. In regelmäßigen Abständen trafen sich die Makler auf dem Platz. Und da es damals noch keine offiziellen Börsenkurse gab, sammelten sie bei ihren Korrespondenten und herumkommenden Gästen allerlei Informationen über die Konjunktur vor Ort und die Lage auf den ausländischen Märkten. Ab etwa 1370 wurden in Brügge in regelmäßigen Abständen die Wechselkurse in verschiedenen Städten notiert. Um 1400 kam ein durchgehender und organisierter Geldmarkt zustande mit Wechselkursnotierungen für die bedeutendsten Handels- und Bankenzentren in Europa, wie Barcelona, Venedig, London oder Paris.
Die bedeutendsten Wechselhändler verlegten ihre Nationshäuser auf den Platz Ter Buerse. Eine Nation war eine Vereinigung ausländischer Kaufleute. Diese Nationen bauten, kauften oder mieteten meistens eigene Gebäude, die so genannten Nationshäuser. Sie dienten auch als Konsulat, Versammlungs- oder Lagerraum. Die Funktionsweise der ersten Handelsbörse basierte auf Bräuchen und wurde nie schriftlich festgelegt.
Der erste Autor, der die brüggesche Handelsbörse erwähnt, ist Hieronymus Muenze, ein deutscher Arzt aus Nürnberg, der eine lange Reise durch Europa unternahm. Aus seinen Reisetagebüchern geht hervor, dass er 1495 in Brügge in einem Gasthof auf dem Platz vor der Herberge Ter Buerse verweilte. Er schreibt folgendes: „Es gibt in Brügge einen Platz, auf dem sich die Kaufleute treffen, den man De Beurs nennt. Dort kommen Spanier, Italiener, Engländer, Deutsche, Orientalen, kurzum alle Nationen zusammen.“
Nach dem Niedergang von Brügge verlagerte sich das finanzielle Zentrum im darauf folgenden Jahrhundert nach Antwerpen. Dort sprach man schnell von „der neuen Börse“, ein Platz, auf dem sich die Händler trafen. Von Antwerpen aus fand das Wort „beurs“ seinen Weg nach Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland, wo das Wort zu bourse, borsa, bolsa bzw. Börse mutierte.
Falls Sie noch einem Moment Zeit haben, erklärt Ihnen Professor Bömmel noch die Funktion eines Ventils, die ja bei Börsen eine existenzielle Funktion haben, sonst Explodieren sie und wir haben mal wieder einen Börsenkrach.
"Wat is e Ventil? Da stelle mer uns wieder janz dumm. E Ventil is, wo wat erein jeht, aber sein Lebjottstag nix erauskömmt."

©J. Zimmer
11. August 2012

... link (0 Kommentare)   ... comment


Peinlich...
Peinlich…
Volkswagen, Siemens, Mercedes-Benz – die Creme de la Crème der Deutschen Wirtschaft mussten wegen Korruption Millionenbeträge an Strafgeldern zahlen. Spendenaffären bei Parteien, Schmiergelder bei windigen Waffengeschäften- die Korruption schmiert das Getriebe in Politik und Wirtschaft. Dagegen soll nun ein Kraut wachsen:
Die UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC) ist der erste weltweit völkerrechtlich verbindende Vertrag zur Bekämpfung der Korruption. Am 31. Oktober 2003 wurde die Konvention von der Vollversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet (Resolution 58/4). Vom 9. bis 11. Dezember 2003 fand die Unterzeichnungskonferenz in Mérida (Mexiko) statt. Er verpflichtet die Vertragsparteien zur Bestrafung verschiedener Formen der Korruption gegenüber Amtsträgern und zur internationalen Zusammenarbeit. Die Konvention ist von 159 Staaten ratifiziert (Stand Januar 2012), darunter alle europäischen Staaten mit Ausnahme Deutschlands.
Aber wir müssen deswegen nicht irritiert sein, sind wir doch in bester Gesellschaft von Ländern wie Myanmar, Sudan, Saudi-Arabien, Nordkorea oder Syrien.

Die Tatsache dass Deutschland die Konvention (noch) nicht ratifiziert hat, schwächt das Gewicht der Konvention in der Welt. Auch um seinen Anstrengungen zur Korruptionsbekämpfung Glaubwürdigkeit zu verleihen, sollte Deutschland die UN-Konvention gegen Korruption zügig ratifizieren.
Der Ratifizierung steht nur eines im Wege: der § 108e des Strafgesetzbuches, der Bestechlichkeit und Bestechung von Abgeordneten viel zu einschränkend definiert. So erfasst die Abgeordnetenbestechung beispielsweise nur den Teilbereich des so genannten „Stimmenkaufs“. Damit ist unklar, ab wann Spenden an Mandatsträger für deren politische Tätigkeit Anlass geben können, die Frage der „Käuflichkeit“ zu überprüfen. Die Reform dieses Paragrafen ist überfällig, auch unabhängig von der UNCAC. Heute kann ein Unternehmer in Deutschland straflos Mandatsträgern in Volksvertretungen in Deutschland Vorteile gewähren, für die er auf der Basis des Internationalen Bestechungsgesetzes (IntBestG) bestraft würde, wenn er dies gegenüber Mandatsträgern in Volksvertretungen im Ausland täte.

Über Transparency International
Transparency International ist eine gemeinnützige, parteipolitisch unabhängige Bewegung von gleichgesinnten Menschen aus aller Welt, die sich dem globalen Kampf gegen die Korruption verschrieben haben. Transparency International wurde 1993 von Dr. Peter Eigen und anderen in London und Berlin gegründet und ist in 90 Ländern tätig.
Transparency International hat die UN-Konvention gegen Korruption mit formuliert und arbeitet mit zahlreichen nationalen und internationalen Organisationen zusammen - einschließlich der Europäischen Union, den Vereinten Nationen, der OECD, der Weltbank, den Regionalen Entwicklungsbanken und der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris.
Vor wenigen Tagen forderte Siemens, Mercedes & Co die Regierung auf, endlich zu ratifiezieren, da die international tätigen Konzerne Nachteile bei Auftragsvergaben fürchten.

11. August 2012
© J. Zimmer
folgender Link ist beachtenswert!!!
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/appell-an-den-bundestag-konzernchefs-fordern-korruptionsabkommen-a-848827.html

... link (0 Kommentare)   ... comment