Donnerstag, 2. Juni 2016
Die Wiener oder die „österreichische Gesellschaft“ heute


Wegen eines „ganz anderen“ Kanzlers und den Medien - Tumulten um den neuen österreichischen Bundespräsidenten gehen jetzt, ein wenig unerwartet, doch neugierige Blicke nach Südsüdosten in den jahrhundertelangen Residenzstaat deutscher Kaiser.

Die dortigen Meinungsmenschen sind uns fremd, seit wir 1949 per alliierter Anordnung über Westdeutschland das demokratische Banner ausbreiteten und 1989 nach Osten verlängerten.

Der österreichische Historiker Peter Stachel befasst sich aktuell im „Merkur“ mit dem gemeinen Österreicher. Er nennt ihn „parafeudal und höfisch“. Nach Arthur Schnitzler, (1862 – 1931) praktizierender Arzt, Doktor der Medizin und Schriftsteller der Wiener Moderne, lauten die drei „Kennworte“ des Wieners:

I. Wie komm denn i dazu?
II. Es zahlt sich ja net aus!
III. Tun S’ Ihnen nix an!“.

Zu I:
Das Individuum steht vor einem (fiktiven) Kollektiv und antwortet diesem, warum und weshalb es gemeint, gefordert, gesucht sei und weshalb es Reaktion in Rede und/oder Handlung zeigen solle. Der Einzelne, von der (dienenden?) Masse situativ abgesondert, fragt die absondernde Masse nach den Kriterien, aber auch nach der Legitimation für die Auswahl des Fragenden zur „besonderen Person“.
Da identifiziert sich ein Individuum mit dem Kollektiv, der Masse, der Gemeinschaft, als ein anonymer Teil des Ganzen. Seine Individualität wird von ihm selbst nicht beansprucht, sondern sogar bestritten: Ich bin nur ein beliebiges Teil des Ganzen, nicht besonders befähigt und auch nicht als Seiender zu identifizieren. Der einzelne Mensch ist hier nicht nur mit Anderen gleich, sondern sogar identisch, kongruent?
Und das ist ein (moderner)„Wiener“?

Zu II:
Der Satz dokumentiert die psychische Einstellung eines Individuums als einem Pessimisten, für den jedes Glas halb leer ist. Er schaut in die naheliegende Zukunft und kennt schon die spätere Situation (von t0 nach t1), das Ergebnis: Negativ, die Mühe wird umsonst sein. Vermutlich ist das Erfahrung aus einer Summe von willkürlich addierten Ereignissen, die wegen der vorurteiligen Haltung immer gerade so wahrgenommen wird. Die sich selbst bestätigende Prophezeiung, hier ist sie exzellent dokumentiert.

Zu III:
Sprachlich für „Hochdeutsche“ etwas schwierig. Wenn man „ihnen“ durch „sich“ ersetzt, ist es eine Warnung vor der Zukunft, vor drohenden Ereignissen, die kommen werden und schädlich sind. Zukunft ist nicht Vergangenheit und nicht Gegenwart. Bisher kann der Mensch mit einer ihm sicher erscheinenden Wahrscheinlichkeit über Vergangenheit und Gegenwart Aussagen treffen. Nicht jedoch über die Zukunft, außer es kann „so“ oder „so“ oder noch anders kommen. Die verkündete Einstellung ist daher zu weniger als 50 % sicher, also weniger als „halbwahr“. Die Fürsorge gilt mitleidig dem ganzen Gegenüber und dessen möglicher Zukunft.

Zusammenfassend:
Der Wiener ist ein anonymes, pessimistisches und mitleidiges Teilwesen seines (angefügt: nachfeudalen) Kollektivs. Vielleicht gilt das sogar für die gesamte „Schmäh“-gemeinschaft.
Bewundern wir das? W. k. (Wohl kaum.)

© Karl Wilhelm Goebel

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Der ungeklärte Wahnsinn in den Talkshows am Beispiel Maischberger
Wer gestern bis zur späten Stunde Augen und Ohren offenhielt, konnte wieder einmal entdecken, wie wenig Klarheit Moderatoren schaffen.

Da behauptet Prof. Dr. Jörg Meuthen, ein Wirtschaftswissenschaftler und Vorsitzender der AfD, der deutsche Fachkräftemangel in der Zukunft sei ein Märchen, weil die Automatisierung und die Industrie 4. 0. keine weiteren menschlichen Kräfte notwendig machten (Roboterisierung, Digitalisierung, Outsourcing etc.).

Darauf widerspricht die taz – Wirtschaftsredakteurin Ulrike Hermann.

Die vermutlich unterschiedlichen Ansätze bleiben ungeklärt im Raum, denn die Moderatorin versäumt es, zu fragen, welche Hypothesen liegen ihren Aussagen zu Grunde? So oder so, es ist von Bedeutung, welche Prämissen und Gewichte die jeweilige Untersuchung verarbeitet hat.

Der Zuschauer verharrt im Unwissen. Und das bei der ARD, die doch von uns den bezahlten Bildungsauftrag hat…

Talkshows = Quasselbuden?

© Karl Wilhelm Goebel

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