Donnerstag, 5. Juni 2014
WM 2014 – Futebol no Brasil –

Bin ich froh, dass mir noch rechtzeitig vor der Football - WM das geniale, sehr lesenswerte Kultbuch „Fußball unser“ in die Hände fiel. Deswegen konnte ich unbedingt Wissenswertes und mehr über den „teuflischen Zeitvertreib“ – so Philip Stubbes, 1583 – entdecken. Ich erfuhr zum Beispiel u. a., was ich nicht ansatzweise ahnte, viel weniger je geglaubt hätte, was es in dieser mitgliederstarken, neu-zeitlichen, Weltkirche unter einem hin und wieder umstrittenen Fuß-ballpapst aus der Schweiz, so alles an Wundern gibt.

Damals
Schon 2500 v. C. kickten die Chinesen, in Japan wurde es unter dem Namen „Kemari“ von 600 v. C. bis 300 n. C. gespielt. Auch die Azteken, Mayas und Zapoteken betrieben es, und in Italien wurde zu Renaissancezeiten eine Mischung aus verschiedenen Sportarten praktiziert, bei denen, Gruseliges wird lange kommuniziert, als Spielball schon mal ein abgeschlagener Kopf (wohl von einem zum Tode Verurteilten) herhalten musste. Das heutige,
begeisternde Kriegsersatzspiel der Nationen, „Football“, geht auf das Jahr 1863 zurück, als sich, sie ahnen es, Briten trafen, um eine „Football Association“ zu gründen.

Heute
Weltweit haben sich die Funktionäre auf das phonetische Bild „Fußball“ in kleinen, sprachlichen Varianten geeinigt. In ein paar Ländern klingen die Namen für (unseren?) heimischen Fußball allerdings sehr fremdartig: Finnland = „Jalkapallo“, Griechenland = „Podosfairo“, Italien = „Gioco del calcio“ in Polen „Pilka nozna“ und in Serbokroatien „Nogometna lopta“. In all diesen Ländern kommt der deutsche Fan ohne spezielle Sprachkenntnisse nicht weiter, will er seinen Sport im fremden Land identifizieren.
Es dauerte immerhin bis zum Jahr 2008:
Dann erst wurde für die gemeinsame, geografische, Zukunft verbindlich festgelegt: Spielplatzlänge 105 m und 68 m in der Breite. Das hat schon ein wenig was von einer Orientierung an ästhetischen Gesetzen.
Immerhin können sich die Fußballer jetzt weltweit selbst auf richtige Länge und richtige Breite ihr Unterbewusstsein programmieren. Man spricht dann gerne verklärend oder euphemistisch von der „Tiefe des Raumes“, an dessen beiden schmalen Enden mittig immer ein eckiges Tor steht. Hier hinein befördert jeweils nur eine Mannschaft das Runde. Wer davon abweicht, löst ein höllisches Endzeitchaos aus: Eigentor genannt!

Buntes Treiben
Eine Mannschaft darf keinesfalls, wenn es auch gelegentlich so schön nahe liegen mag, das falsche Tor als Ziel nutzen, obwohl es keine sichtbaren Unterschiede zwischen den beiden „Kästen“ gibt. Damit immer nur das richtige Tor benutzt wird, „wachen“ darüber bis zu vier (!) „Offizielle“ oder auch „Unparteiische“ genannt.
Einer von ihnen pfeift, nein, kommandiert, 90 Minuten hin und wieder gut hörbar, auf einer Trillerpfeife,


in manchen Fällen mit Abständen mehrmals hintereinander. Konzertante Tonfolgen sind schon was anderes...
Ich hatte das Buch wegen meines Wunsches nach Fußballbildung erworben. Doch nun freue ich mich. über einen Nebeneffekt, - man bemerkt schon, wozu Fußball alles gut ist! - ich stehe nun vor meinem Gartenrasen viel, viel, professioneller: Überrascht erfahre ich nämlich, der Rasen wird schön grün,



wenn man eine Rasenmischung aus 10 % Lolium Perennem, 10 % Festuca Rubra und 80 % Poa Pratenis mit starker Düngung im Oktober ausbringt. Aha.

Im eigenen Garten
Klar, bei mir, wie bei den meisten Häuslebesitzern: Für ein Fußballfeld reicht es am Eigenheim nicht, aber ein eigener, kleiner, Strafraum könnte es schon werden. Ob ich mir noch eine Kreidemaschine für das Markieren von korrekten, weißen, Linien besorge? (Von Hand gezogen wirken die weißen Streifen fransig, unsauber und man denke daneben an den unsportlichen Eindruck, den eine Gästemannschaft mit nach Hause nehmen würde... ;-))

Der göttliche Trainer
Über die Probleme eines Fußballtrainers macht man sich als Laie wenig Gedanken. Hier ein paar Fakten: Der unterschreibt bei einem Verein einen Dienstvertrag, kriegt regelmäßig, nicht für Erfolg, son-dern für sein Tun, eine Menge Geld, muss dann aber, oft mehrfach in der Woche, hinaus auf den Rasen. Dorthin folgen ihm, wie Lämmer dem Schäfer, mindestens elf ausgewachsene Männer mit fra-genden Blicken: „Äh, Chef, was soll ich liefern?“
Wohin mit diesen Kraftmännern, fragt sich der so Angesprochene und meistens weißhaarige Fußballtheoretiker erst einmal. Alle als ein Haufen hinein ins Stadion? Das geht gar nicht. Wie Enten in einer schwingenden Reihe? Das sieht man selten...
Nun, der Fußballguru ist selbst verkleidet als „Aktiver“, doch er bewegt seinen eigenen Körper kaum. Er beginnt zu reden, was er sich so ausgedacht hat. Die hören zu. Und dann lässt er die „Jungens“ knien, laufen, kreiseln, sprinten, hoppeln, hüpfen, manchmal tanzen, damit sie untereinander, das ist wichtig, Spaß haben. So entwickelt sich, sagen Fachkreise – und dazu gehören Millionen Männer in Deutschland, also das sind wirklich sehr Viele! - ein kumpelhaftes Klima. Die Verständigung von Mann zu Mann wird auf diese Weise immer einfacher und, das ist der Effekt: Immer schneller. Zack! Da genügt ein vielsagender Blick vom rechten „Stürmer“ zum Mittelfeldspieler. Schon muss sich der gegnerische Torhüter warm anziehen. Sonst „rumst“ es in seinem „Karton“.

Beim Spiel vor den kritischen Fanblöcken wird schon zu Anfang der Einfluss des Trainers deutlich. Seine Mannschaft stellt sich auf der gewonnenen Seite, vom Tor beginnend bis zur Platzmitte in einer grafischen Formation, z. B. Dreieck, Raute, Spitze im eigenen Tor, auf. Die andere Mannschaft macht das in etwa so, nur spiegelverkehrt. Alle Männer stehen, vor dem losbrausenden Sturm fast still, bis der Oberste der Schiedsrichter den Beginn signalisiert, indem der auf seiner Pfeife trillert. Jetzt rennen 20 Mann (zwei bleiben ungerührt in ihren Toren stehen!) möglichst in das gegnerische Feld. Nein, nicht einfach so, sondern nach dem heimlichen, ausgeklügelten, Plan des Trainers...

Himmel hoch…
Ach, so. Wenn der „richtig“ ist, der Plan, häufig richtig ist, möglichst immer, hintereinander richtig, dann brüllen die Fans, heben den Trainer nach dem Spiel auch schon mal hoch, was der gern hat. Sie feiern feste Feste und erobern, bejubelt, silberne Töpfe von überall her, um sie zu Hause in einem Schrank mit Glasscheiben zum Durchgucken anzusammeln.

Der wichtigste aller Trainer ist der „Bundestrainer“. Der wird nicht, wie Manche glauben, von der Bundesrepublik bezahlt, sondern vom Deutschen Fußballbund. Nur weil’s so einfach ist, nennt die Presse ihn „Bundestrainer“, eigentlich ist er (nur) „Bundesverbandstrainer“ und nicht etwa, dass der ein Kollege vom Bundeskanzler oder vom Bundespräsidenten wäre;-)))

Um was es letztlich geht
Kenner bewundern die immer wieder auf Hochglanz polierten, eroberten Trophäen, im Ruhrgebiet „Pötte“ genannt. Sie tragen Inschriften, so dass die Anhänger nach Jahrzehnten darin noch willkommene, gut lesbare, Stützen für ihr Vereins- oder Verbandswissen finden.

Regelrecht
Zurück: Bei einem Fußballspiel gibt es, klarer Fall, Regeln. Eine davon, die immer wieder Gegenstand von Diskussionen wird, ist die Abseitsregel. Die sollen Andere erklären. Hier sei nur so viel gesagt: Sie kommt erst zum Tragen, wenn ein Spieler aus der angreifenden, gegnerischen, Mannschaft in den Besitz des Spielballes gelangt und in diesem Augenblick näher am gegnerischen Tor steht, als dessen Verteidiger (+ Torwart) ...

Und dann noch
Manchmal gibt es „Eckball“. Dann schießt jemand nach der „Freigabe“ aus dem eckigen Winkel (freier Radius um die Eckfahne 1 m), sonst wie bei einem „Freistoß“, aber total unbehelligt von Gegnern, in Richtung Tor, wo sich die beiden Mannschaften ein riskantes, horizontales und vertikales Getümmel liefern.

Ganz lustige Begriffe
Ein Schiedsrichterball ist absolut keine geile Tanzveranstaltung, sondern eine Regel, die eingeführt wurde, als man entdeckte, dass es hin und wieder Vorkommnisse gab, denen Besonderheiten zu Grunde lagen. Also sagt seitdem der obere Schiedsrichter im Be-darfsfalle, kommt alle mal her. Ich lasse den Ball jetzt aus „Brusthöhe“ fallen. Wer schnell genug ist, darf gegen den Ball treten, doch erst, wenn der einmal auf dem Boden aufgeschlagen ist… Und hek-tisch geht es weiter.
Ansonsten sind da noch weitere Regeln. Eine sollte ich auf Schwitzerdütsch zitieren. Sie liest sich und klingt so niedlich… (Wenn sie versuchen, es einmal vor sich hinzusprechen?) „S’ Höpärlich machä lassä“, was die schnöde Wahrheit verniedlicht, wenn man es auf Hochdeutsch hört: „Jemanden ein Bein stellen“. Und das ist im Fußball strengstens verboten, weil total unsportlich. Geahndet wird es sofort mit einem „Strafstoß“ oder gar einem „Elfmeter -Schuss“.
Im Falle besonderer Schwere des Verstoßes zieht der Schiedsrichter aus seiner Tasche zusätzlich eine Polystyrol - Karte, 12 x 9 cm, mit abgerundeten Ecken in gelb oder gar gelb-rot und



zeigt sie dem Missetäter, was dann unterschiedliche Folgen für den rohen Kicker hat.

Neue Maßstäbe
Was nun internationalen Football anbelangt: Die kenntnisreiche Männermehrheit im Lande wäre aktuell glücklich: Wenn, ja, wenn nicht nur unsere Industrieprodukte die Bezeichnung „Made in Ger-many“ trügen. Die wurde mal als Diskriminierung gegen deutsche Industrieprodukte von den Briten erfunden. Heute bewirkt sie Hochachtung. Es wäre doch „funtastisch“, wenn dieses Merkmal ab 2014 ebenso für den erfolgreichen deutschen Fußball weltbedeutend angewendet werden könnte.

Solche Erfolge stabilisierten massiv das seit 1945 angeknackste deutsche Kollektivbewusstsein. Es machte aus den tugendhaften Gebietern von Pünktlichkeit, Präzision und Disziplin menschelnde Vorzeigesportler.

Blick nach vorn.
Appetit kommt bekanntlich beim Essen.
Es wäre angenehm, wenn dieser kleine Beitrag das Interesse für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014, in Südamerika, weit von uns weg, zusätzlich ein wenig gefördert hätte, während die Auswahl, die für Deutschland spielt, unser modernes Land, seine Leistungsfähigkeiten, den echten, demokratischen Geist (gilt verpflichtend auch für Eingedeutschte!), den Lernwillen, die Hoffnung und die Nachhaltigkeit im liebevollen Umgang mit unserem Raumschiff Erde „mann-haft“, na, ja, eigentlich reicht: sympathisch vor der ganzen Welt vertritt:
Das wäre doch – mindestens - ein „indirekter Freistoß“ in unsere europäische Zukunft. So denken wir Millionen zu Hause an den Fernsehern und einige immerhin auf den Rängen im Stadion, liebe Premium – Spieler auf dem Rasen. Wir stehen Euch, ja, kenntnis-reich, bei. Was zu beweisen war...


Es wird hoffentlich ein leidenschaftliches, rasengrünes, Festival, kein „Kampf“. So ist „Futebol no Brasil“, Fußball in einem glutvollen Riesenland bei, wie man hört, mäßigen Temperaturen…

Toi. Toi, toi.

Mittwoch, 4. Juni 2014
© Karl Wilhelm Goebel

... link (0 Kommentare)   ... comment