Dienstag, 18. November 2014
2014-11-17/E-Mail aus der Schweiz:
„Bedingungsloses Grundeinkommen im Nationalrat (CH)
Im Herbst 2016 stimmt die Schweiz über das bedingungslose Grundeinkommen ab. Davor wird das Parlament darüber beraten und eine Empfehlung abgeben. Dieser Prozess hat am vergangenen Freitag begonnen, indem die Sozialkommission des Nationalrats darüber diskutierte. Der (schweizerische) «Tages-Anzeiger» hat dazu eine lesenswerte Standortbestimmung geschrieben.

Somit rutscht das Thema Grundeinkommen wieder ein Stück nach oben in der öffentlichen Agenda, wird aber fälschlicherweise oft für eine neue Sozialversicherung gehalten. Vielmehr ist das Grundeinkommen jedoch ein neues Menschenrecht, welches dazu führt, dass wir selbstbestimmter tätig sein können. Es ermöglicht eine menschlichere Wirtschaft, einen klügeren Umgang mit unseren materiellen Errungenschaften und einen neuen Begriff von Arbeit.

Bereits hat sich die Nationalratskommission gegen einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative entschieden. Zur Initiative selbst hat sie jedoch noch keinen Entscheid gefällt. Nach der Wintersession soll das Geschäft wieder aufgenommen werden.“
Zitat Ende!


Sie erinnern sich, es wurden Unterschriften gesammelt, um den Vorgang, echt demokratisch, auf den Abstimmungsweg zu bringen.
Nun warten die Initiatoren auf den „Herbst 2016“, wenn es zu dieser Frage in knapp zwei Jahren die Volksabstimmung gibt.

Möglich ist durchaus eine Ablehnung durch das Volk.
Mit gewisser Wahrscheinlichkeit ist aber, dass nach weiterer Aufklärung, breiten Diskussionen mit den (dort sehr) mündigen Bürgern, eine Zustimmung herauskommt. Das wäre dann ein neuer, schweizerischer Sonderweg:
Heraus aus dem Kapitalismus, der den kranken Konsumismus zur verbreiteten Perversion befördert, die Umwelt schädigt, alles zum Verbrauch befördert, wenig Sinn für einen schonenden „Gebrauch“ hat, nicht nach Lebensqualität, sondern nur nach Umsatz fragt.

Das wäre dann die erste Insel mit weniger Zwängen. Allerdings leben die Eidgenossen dann in einer neuen Gefahr: Ein neuer Tourismus, der nicht wintersportaffin ist. Stattdessen würden die misstrauischen Neugieren vor Ort erkunden wollen, wie es sich denn mit dem Grundeinkommen und der gebannten „Faulheit“ leben lässt.

In Deutschland gibt es ebenfalls eine Initiative „Bedingungsloses Grundeinkommen“. Eine Volksabstimmung trauen uns die „da oben“ nach der Entscheidung 1933 nicht mehr zu. Obwohl wir demokratiereifer geworden sind. Ok. Auf schweizerischem Niveau sind wir wohl erst in einigen Hundert Jahren…

© Karl Wilhelm Goebel

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Studenten in großer Zahl und wer krempelt morgen die Ärmel auf?
Von der Öffentlichkeit entweder unbemerkt oder vom Fortschrittsglauben stigmatisiert, vollzieht sich im Lande seit Jahren eine Wandlung bei der bildungshungrigen Jugend. Angeblich geht es hin zur „Informationsgesellschaft.
Nun freut es mich, durch die Lektüre von Julian Nida-Rümelin, brandneu: „Der Akademisierungswahn“ mit dem Untertitel „Zur Krise beruflicher und akademischer Bildung“ einen Anstoß erhalten zu haben. (Verlag Koerber-Stiftung –http://koerber-stiftung.de)

Schon nach den ersten Zeilen weiß ein geübter Leser, hier begegnet ihm ein aus der Lehre und – ungewöhnlich - der Politik bekannter Akademiker, der – ungewohnt für Politiker - für eine Idee intellektuell und offen plädiert. Ein Experte, der, von Wahrheitssuche geleitet, im Wissens- und im Wissenschaftsbetrieb eine klare Trennlinie zieht, wo und wann etwas wirklich akademisch ist und wo nicht. Das ist erfrischend.

Aber, wo es Menschen um öffentliche Anerkennung geht, stützt eigengesetzlich jede Kreativität, herrscht Dekorationssucht, oft genug begleitet von Titelinflation. Dann wissen nur noch Eingeweihte von dem z. B. feinen Unterschied zwischen dem Selbstwert eines Professors an der Universität und dem an einer Fachhochschule. Diese Undeutlichkeiten sind im gesellschaftlichen Leben von FH – Professoren gern gesehen, von den echten Akademikern in der Forschung und auf den Lehrstühlen an den Unis zweifellos nicht. Erst das jeweilige Haus der Lehre und der Umfang des „Lehrdeputats“ bringen Differenzen an den Tag.

Heutzutage, sozial erfreulich, denn so weit ist die gesellschaftliche Entwicklung vorgerückt, kann ein angehender Meister genau so „Bafög“ beantragen, wie seinerzeit nur der Abiturient auf dem Weg zu seinen Würden fern von Handwerk und Technik. Damit wurden schon Jahrhunderte alte Mauern dem „Modernitätswahn“ geopfert, sagen die einen... Der Autor spricht jedoch von „Akademisierungswahn“.

Historisch zurück:
Hier eine historisch zu belegende Anekdote aus dem Heilwesen, der Medizin, deren „Medicus“ nicht nur Heilkundiger war, sondern auch Zauberkräfte bändigte, wie die „Spontanheilung“. Bis die Akademisierung von Unerkärlichem nichts mehr wissen wollte, Naturwissenschaftliches einzog und „Diagnosen“ auch für Unbegreifliches herhalten sollten. Beispiel: Allergie als Krankheit, obgleich damit nur eine ungeklärte „Überempfindlichkeit“ beschrieben wird.
Im späten Mittelalter sah ein Teil der ärztlichen Praxis so aus:
Der gebildete Herr Doktor, Lateiner, erkannte ein Krankheitsbild, beschrieb es mit imponierendem BraBra in Latein, riet zu einer Operation, die sein hohes Honorar sicherte, dozierte „salbungsvoll“ in ausreichend räumlichem Schutzabstand, während der operativen Handlung durch den Bader, der allerdings kein Wort des Lateins verstand. Aber, der Herr Doktor heftete sich im Falle des Gelingens der Operation das Stigma des genialen Mediziners an den Frack und der Bader, ein „Hand“ – Werker, bekam seinen Helferlohn (Bader, Nichtakademiker: Chirurg). Gelang die „Op“ aber nicht, was glauben sie, wer dafür die Verantwortung zu tragen hatte. Wen überrascht es: Niemals der dozierende „Akademiker“.

Da genau ist die Nahtstelle zwischen „denen da oben“ (Akademiker) und „denen da unten“ (Nichtakademiker), Brutstelle für die Missachtung des „Handwerks“, welches auch immer es sei. Die Erfindung des Begriffes „Kunsthandwerk“ zeugt von der Hilflosigkeit im Umgang mit Werken, die eingestandenermaßen von keinem (nur) Handwerker zu schaffen waren, der nicht auch zugleich “Kopfwerker“, manche sicher sogar Genies, waren. (Uhrenmacher, berühmte Baumeister, geniale Techniker) . Prof. Peter Sloterdijk spricht von 10.000 Stunden Übung, die ein „Meister“ auf jedem Gebiet braucht.

Eine andere, erhellende Anekdote:
Vor einem Gebirge aus Steinen treffen sie einen beschäftigten Mann. Sie fragen ihn: „Was machen sie denn hier?“ Antwort: „Das sehen sie doch, wir mauern...“
Und wer steht vor ihnen, wenn sie folgende Antwort erhalten: „Wir bauen einen Dom!“?

Bildung, Persönlichkeitsbildung, fördern idealer Weise mehr als die kognitiven Fähigkeiten, sondern vor allem die Vernunftsfähigkeit mit dem Ziel der Stärkung der eigenen Urteilskraft.

Unser formeller Bildungsapparat fördert neuerdings inflationär offensichtlich das akademisierte (bekannte) „Wissen“ und damit die schlau lesenden „Doktoren“. Diese überlassen die produktive Arbeit, die Ausführung des Werkes, die eigentliche Wertschöpfung, den (nichtakademischen) Meistern und Technikern. Ok, wenn die Kopfzahlen in ihren Verhältnissen stimmen.

Eine Wirtschaftsgesellschaft braucht allerdings mehr hoch qualifizierte – um im Bilde zu bleiben - „Bader“ an den Schnittstellen des (dualen) Bildungssystems: Vor allem in jenen Sektoren, die eigentlich Wiederholungen des bekannten, routinierten, Tuns von „gestern“ abbilden. Ist das tatsächlich ein akademisches Wirken?
Beachte: Routine ist der größte Teil dessen, den (auch) die meisten Akademiker gemäß ihrem Anforderungs- und Aufgabenkatalog abliefern, abzuliefern haben!
Ausweg:
Jedes „Neue“ erfordert ein Umdenken; es geht dem Umwerten voraus.
Die wirtschaftlich erfolgreichen Wege sind in den vergangen 150 Jahren selten auf akademischen Geleisen gefunden worden. Es waren fast ausschließlich Fachleute ohne akademischen Background. Sie brachten das Land nach vorne.
Studierende, die mit einem Abschluss in Hierarchien schlüpfen, fördern keine Wirkungseffizienz. Sie verlängern nur den bürokratischen Weg. Wem nützt das?

Sonntag, 16. November 2014
© Karl Wilhelm Goebel

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