Montag, 10. September 2012
Über´m Tellerrand liegt Wunderland
Ursula von der Leyen hat erfreulicherweise eine längst notwendige Diskussion über Altersarmut angestossen. Niemand weiß das besser als die Regierung, ist sie es doch, die seit Jahrzehnten den Niedriglohnsektor (wer hat´s erfunden? DIE SPD) unerträglich ausbaut (kein Land in Europa und sogar die USA haben im Verhältnis einen ähnlich großen Billiglohnmarkt). Und schon kommen alle Generalsekretäre (die sind für´s Grobe zuständig) aus ihren Schmuddelecken und ballern gegen die kleine, zierliche, siebenfache Mutter der Nation (nicht, dass ich Mitleid mit ihr hätte) und verdammen jeden Ansatz in Grund und Boden. Ich will hier gar nicht v.d.L. Arbeitspapier bewerten, aber jeder Bürger hat den Anspruch auf eine richtungsweisende Diskussion über dieses wichtige Thema. Herr Gabriel (der Dicke mit mit den Klatschhaaren) hat keinen anderen Vorschlag, lehnt aber den v.d.L. ab und sagt der Ansatz sei falsch, man müsse den Niedriglohnsektor (wer hat´s erfunden? DIE SPD) eindämmen. Damit ist er fein raus, denn das wird nicht passieren.
Oft wird, auch vom Hofschreiber dieses Blogs, richtigerweise die Schweiz als beispielgebend (wer hat´s erfunden? DIE SCHWEIZ) herangezogen. Ich wähle mir einmal einen anderen kreativen Nachbarn aus, die Niederlande; auch, damit nicht der Eindruck entsteht, dass andere Länder in Euroland schlafen und nur am deutschen Wesen -wieder mal- die Welt genesen kann.

Das Rentensystem in den Niederlanden

Im wesentlichen können drei Säulen der Alterssicherung in den Niederlanden unterschieden werden: Die Grundrente bildet die erste Säule. Eine Grundrente hat ein Niederländer in 50 Jahren aufgebaut. Die zweite Säule betrieblicher Zusatzrentenversicherungen ergänzt diese, ist aber nur Arbeitnehmern zugänglich. Schließlich wird die Rente durch eine private Altersvorsorge aufgestockt. Niederländer nennen das „Cappuccinomodell“: Den Kaffee in Form der Grundrente gibt’s für jeden, das Sahnehäubchen liefert die betriebliche Altersvorsorge und die private Vorsorge gleicht den Schokostreuseln.

Die Niederlande zeichnen sich – insbesondere im Vergleich mit anderen europäischen Ländern – durch einen Mix von Umlagefinanzierung und kollektiven Sparregimen einerseits, sowie individueller und kollektiver Verantwortlichkeit andererseits aus. Ferner ist für das niederländische Alterssicherungssystem charakteristisch, dass es keine berufsständischen Sondersysteme gibt und die Niederlande zu den wenigen Ländern Europas gehören, in der die Rentenversorgung der Beamten nicht aus Steuern finanziert wird.

Die Grundrente
Wer in den Niederlanden lebt, hat mit dem 65. Lebensjahr Anspruch auf eine Grundrente, die das Existenzminimum abdeckt. Unabhängig davon, ob er jemals Beiträge gezahlt hat, bekommt er 45 Prozent seines Durchschnittslohns und mindestens 70 Prozent des Mindestlohns für einen Alleinstehenden.
Die Grundrente wird aus Beiträgen der Versicherten im Umlageverfahren finanziert und nur zu einem kleinen Teil mit einem Staatszuschuss. 2003 betrug der Beitragssatz für die gesetzliche Rentenversicherung (AOW) 17,9 Prozent, für die Hinterbliebenenversorgung (ANW) 1,25 Prozent. Arbeitgeber zahlen keine Beiträge.

Rente mit 65
Wer 65 Jahre alt ist, kann eine Grundrente beantragen. Sie betrug zum ersten Juli 2003 für Alleinstehende 809,18 Euro, für Verheiratete und Zusammenlebende 1254 Euro. Auch Urlaubsgeld wird gezahlt: Für Alleinstehende 37,6 Euro und für Verheiratete je 26 Euro. Sollte der Ehepartner erneut heiraten oder mit einem anderen Partner zusammenleben, erlischt der Anspruch auf die Grundrente.

Das Ziel der AOW ist die Vermeidung von Altersarmut auf dem Niveau eines sozialen Minimums (Grundrente). Jedes Jahr, in dem der Beschäftigte (vom 15. bis zum 65. Lebensjahr) in den Niederlanden gewohnt hat oder Lohnsteuer in den Niederlanden gezahlt hat oder freiwillig versichert war, baut er 2 Prozent der AOW-Rente auf. Die Höchstrente wird also nach 50 Jahren erreicht.

Vorzeitiger Leistungsbezug mit Abschlägen ist nicht vorgesehen, auch kein Zuschlag für verspäteten Rentenbezug. Verheiratete oder Lebenspartner haben einen individuellen Rentenanspruch, Partner vor Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf eine Zulage (50 … 70 Prozent des Nettomindestentgelts) . Im Monat Mai wird eine Extraleistung (Urlaubsgeld) in Höhe von 8 Prozent der Leistungen der letzten 12 Monate gezahlt.
Da die Grundrente nur etwas mehr als 40 Prozent des Durchschnittsentgelts sichert, sind betriebliche bzw. branchenspezifische Zusatzrentensysteme unabdingbar.

Betriebliche Altersversorgung
Mit der betrieblichen Altersversorgung können erwerbstätige Arbeitnehmer zusammen mit der Grundrente eine Versorgung von insgesamt 70 Prozent des zuletzt bezogenen Verdienstes aufbauen, wenn sie 60 Jahre alt sind. Bei der betrieblichen Altersversorgung hat der Staat in den vergangenen Jahren regulierend eingegriffen. So kam der Staat mit den Tarifparteien überein, die Arbeitnehmer auch über 60 Jahren im Arbeitsprozess zu halten. Sie können dann eine Rente von 100 Prozent des letzten Verdienstes aufbauen. Durch die Vorruhestandsregelung (VUT) hören viele Niederländer jedoch mit 60 Jahren auf zu arbeiten.

Die betrieblichen Zusatzrentensysteme gewinnen an Bedeutung. Beinahe 90 Prozent der Erwerbstätigen sind in den fast 1000 öffentlichen, betrieblichen oder 81 branchenspezifischen Zusatzrentensystemen versichert. Die Gestaltung der betrieblichen Altersversorgung ist den Tarifparteien vorbehalten.

Die Höhe der Altersversorgung
Zusammen können Grundrente und Betriebsrente 70 Prozent des letzten Bruttoentgelts erreichen. Ein niedriges Rentenniveau kann durch „Einkauf zurückliegender Dienstjahre“ aufgestockt werden (durch Zahlung zusätzlicher Prämien, rückwirkend bis Juli 1994). Die dritte Säule, die private Altersvorsorge über Lebensversicherungen u. a., wird nur von etwa 20 Prozent der Erwerbstätigen genutzt.

(Quellen: uni-muenster.de, verdi-senioren-dub.de)
Der Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, das wäre entschieden zuviel Text. Jeder, der sich ausführlichst über das niederländische System informieren will, kann den Links folgen.

Jürgen Zimmer

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