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Mittwoch, 7. März 2012
Zapfen in Grossburgwedel und CEBIT
klugschieters, 11:32h
Zapfen in Großburgwedel
Wie schön fühlte sich das an. als wir, unsere Kommune, Wunschausflugsziel deutscher Journalisten und vieler neugieriger Touristen waren. Wir sonnten uns sogar werktags in der bundesweiten, hochnotpeinlichen Aufmerksamkeit. Großburgwedel kennt endlich jeder Kabarettist, jeder Büttenredner. Gott sei Dank haben unsere Vorfahren das Dorf in weiser Voraussicht im Hinblick auf die damals schon zu erwartende, künftige Verkehrsentwicklung ziemlich dicht an die Bundesautobahn 7 gebaut. Einen Bahnhof gibt es hier auch. In 13 Minuten erreicht der Reisende den Hauptbahnhof Hannover.
Sogar der Stil eines schlichten Steingebäudes, weder Kirche noch historisches Rathaus, sondern ein geziegeltes Einfamilienhaus, auf Fotos mit Kirchturm als Kulisse, wurde besonders beachtet und millionenfach veröffentlicht. Einer unserer Bürger, mit dem schönen alten Namen „Christian“, im Zivilberuf Anwalt und seine reizende Gattin, ein beliebtes Kind unserer Ortsgemeinschaft, von Beruf Pressereferentin eines hiesigen Drogeriekonzerns, fanden disproportionale Beachtung.
Rechtzeitig zur beginnenden CEBIT veranstaltet die Regierung am Donnerstag in Berlin ein historisches, militärisches Zapfenspektakel, mit dem für jedermann deutlich, auf den Endpunkt einer großangelegten PR – Campagne blasend und tutend hingewiesen werden soll. Historisch bedeutet Zapfenstreich: "Jetzt ist Schluss mit dem Bierausschank für Landsknechte, ab aufs Strohlager…“ Den merkelschen Hintersinn werden viele Menschen bestimmt schnell verstehen und richtig deuten…
Wohl alle rechtschaffenen Bürger in unserer Kommune begrüßen es, wenn ab sofort die peinliche Journalie nicht mehr in Großburgwedel gesehen wird. Die Tore der Stadt wären für sie, wenn es welche gäbe, längst geschlossen.
Nun bewahre Gott einen ehemaligen Pastor aus der DDR mit Namen Gauck. In dessen persönlichen Rahmenbedingungen wird ab morgen im moralischen Interesse der Presse geforscht: Beantragte er und wo einen Hauskredit? Wurde dieser ins Grundbuch eingetragen? Hat er nach Schnäppchen geschnappt? Hat er mal bei einer befreundeten Familie kostenfrei genächtigt? Wo hat er sich gewaschen? Verwendete er gültige Münzen, wenn er auf dem Campingplatz – gelegentlich - überlang duschte, um gewaschen vor seine Gemeinde zu treten?
So etwas interessiert ganz Deutschland wirklich. Was sind dagegen die echten Probleme? Ja, stimmt, weniger unterhaltsam.
Schluss endlich: Wir entwickeln allmählich Verständnis für jene Presse, die scheinheilig recherchiert und dabei versucht, einzelne Menschen zum Affen zu machen. Wir jedenfalls haben Mitleid. Deshalb mag uns die WELT.
Mittwoch, 7. März 2012
© kwg
Wie schön fühlte sich das an. als wir, unsere Kommune, Wunschausflugsziel deutscher Journalisten und vieler neugieriger Touristen waren. Wir sonnten uns sogar werktags in der bundesweiten, hochnotpeinlichen Aufmerksamkeit. Großburgwedel kennt endlich jeder Kabarettist, jeder Büttenredner. Gott sei Dank haben unsere Vorfahren das Dorf in weiser Voraussicht im Hinblick auf die damals schon zu erwartende, künftige Verkehrsentwicklung ziemlich dicht an die Bundesautobahn 7 gebaut. Einen Bahnhof gibt es hier auch. In 13 Minuten erreicht der Reisende den Hauptbahnhof Hannover.
Sogar der Stil eines schlichten Steingebäudes, weder Kirche noch historisches Rathaus, sondern ein geziegeltes Einfamilienhaus, auf Fotos mit Kirchturm als Kulisse, wurde besonders beachtet und millionenfach veröffentlicht. Einer unserer Bürger, mit dem schönen alten Namen „Christian“, im Zivilberuf Anwalt und seine reizende Gattin, ein beliebtes Kind unserer Ortsgemeinschaft, von Beruf Pressereferentin eines hiesigen Drogeriekonzerns, fanden disproportionale Beachtung.
Rechtzeitig zur beginnenden CEBIT veranstaltet die Regierung am Donnerstag in Berlin ein historisches, militärisches Zapfenspektakel, mit dem für jedermann deutlich, auf den Endpunkt einer großangelegten PR – Campagne blasend und tutend hingewiesen werden soll. Historisch bedeutet Zapfenstreich: "Jetzt ist Schluss mit dem Bierausschank für Landsknechte, ab aufs Strohlager…“ Den merkelschen Hintersinn werden viele Menschen bestimmt schnell verstehen und richtig deuten…
Wohl alle rechtschaffenen Bürger in unserer Kommune begrüßen es, wenn ab sofort die peinliche Journalie nicht mehr in Großburgwedel gesehen wird. Die Tore der Stadt wären für sie, wenn es welche gäbe, längst geschlossen.
Nun bewahre Gott einen ehemaligen Pastor aus der DDR mit Namen Gauck. In dessen persönlichen Rahmenbedingungen wird ab morgen im moralischen Interesse der Presse geforscht: Beantragte er und wo einen Hauskredit? Wurde dieser ins Grundbuch eingetragen? Hat er nach Schnäppchen geschnappt? Hat er mal bei einer befreundeten Familie kostenfrei genächtigt? Wo hat er sich gewaschen? Verwendete er gültige Münzen, wenn er auf dem Campingplatz – gelegentlich - überlang duschte, um gewaschen vor seine Gemeinde zu treten?
So etwas interessiert ganz Deutschland wirklich. Was sind dagegen die echten Probleme? Ja, stimmt, weniger unterhaltsam.
Schluss endlich: Wir entwickeln allmählich Verständnis für jene Presse, die scheinheilig recherchiert und dabei versucht, einzelne Menschen zum Affen zu machen. Wir jedenfalls haben Mitleid. Deshalb mag uns die WELT.
Mittwoch, 7. März 2012
© kwg
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