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Montag, 19. November 2012
STADT - LAND IN FLUSS
klugschieters, 18:54h
ESSAY ÜBER KOMMUNEN & KULTUREN
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Zunächst: ATTRIBUTE DEUTSCHER STÄDTE:
Airport, Allee, Appartement, Bahnhof, Balkon, Ballett, Brunnen, Coffee Shop, Dom, Eisenbahn, Fach-Werk, Fahrradkuriere, Gasse, Handwerk, High heels, Hotel, Imbiss, Kaufhaus, Kino, Konzert, Kunst, Lust, Markt, Mode, Museum, Musik, Nightlife, Oper, Park, Pater noster, Platz, Promenade, Rathaus, S-Bahn, Schwan, Stadion, Straßenbahn, Straßenpflaster, Suite, Taglärm, Tauben, Taxi, Theater, Treppe, U - Bahn, Vertikale, Zoo,
2012 © Karl Wilhelm Goebel
Das sind Key Words..., jedoch unvollzählig…: Schlüsselwörter für die gegenwärtige Stadtkultur in Deutschland.
Dort, wo mehrere dieser Begriffe durch Vorhandensein ihrer Inhalte besetzt sind, - ja, da ist Stadt und - kein Land in Sicht.
Schlicht & einfach. Deutschstadt -land, e-ben.. .
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DER TAGESSPIEGEL wies auf die soziale Tatsache hin, wonach in Berlin einerseits wirtschaftliche Positivsignale zu entdecken sind, andererseits sei die deutsche Hauptstadt jedoch zugleich auch „Hauptstadt der Hartz IV -Empfänger“. Mich überraschte diese kontrapunktische Anmerkung. Einerseits.
Auf der anderen Seite erinnerte ich mich an Literarisches gerade über die „Stadt“ als in ihr tausendfach, millionenfach wiederholte und relativ verdichtete Wohnform, die beim Besucher eigentlich Langeweile auslösen müsste.
Wenn aber schon die Wohnformen weitgehend gleich sind, dürften auch die Lebensumstände ähnlich sein. Das war mein Urteil, nein: Vorurteil.
Hier nun ein gänzlich anderer Gedankenansatz für das Thema „Städte“:
Wenn es einen „Stadtneurotiker“ (Woody Allen) in New York gibt, so scheint das für ungewöhnliche Lebensbedingungen unter urbanen Voraussetzungen zu sprechen…
Zunächst aber erst etwas Allgemeines…
Sozialwissenschaftlich betrachtet zeichnen sich alle Städte i. d. Regel, wie schon zuvor angedeutet, durch eine hohe Siedlungsdichte und zusätzlich durch eine Vielzahl von Menschen in der Fläche der Stadt aus. Hinzu kommt meistens eine hohe, soziale Differenzierung innerhalb der Bevölkerung.
So gesehen ist die Eingangsbemerkung über die große Zahl vorhandener Hartz IV - Empfänger im heutigen Berlin wahrscheinlich ideal-typisch und geradezu signifikant, wenn auch von den wirtschaftlich Verantwortlichen unerwünscht, erst recht für eine Millionenstadt.
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Berlin, heute die größte Stadt in Deutschland, war früher schon Hauptstadt! Und zwar des Preußischen Königreiches. Doch, näher gemustert, Berlin ist heute bald 4 Mio. Einwohner stark, damals, aus heutiger Sicht, eine übersichtliche Stadt. mit (1740) ca. 100.000 Einwohnern und 1755 allerdings schon 126.661 Menschen.
Um 1800 lebten im Deutschen Reich ca. 25 % der gesamten, deutschen Bevölkerung in Städten und 2005 waren es bereits 85 %. Als Ursache wird der Wandel in der wirtschaftlichen Wertschöpfung gesehen, die in Deutschland heute hauptsächlich im Sektor Dienstleistungen generiert wird.
Wenn dagegen ein Ort in Deutschland wie Neumark mit seinen 480 Einwohnen seit 1326 Stadtrechte besitzt, so erscheint das uns Heutige wie ein Kuriosum. Vermutlich wurde die Verleihung der Stadtrechte seinerzeit an Erwartungen geknüpft, die im Laufe der Zeit dann wohl doch nicht Wirklichkeit werden konnten.
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Überhaupt scheinen sich die
Dimensionen von großen Städten
in der jüngeren Vergangenheit extrem nach oben verschoben zu haben.
Auf Welt - Platz 1 der heutigen Millionenstädte findet sich Shanghai mit 23 Mio. (!) Einwohnern, Rio de Janeiro mit „nur“ 6 Mio. Menschen landet erst auf Platz 26 und die deutschen Millionenstädte haben hintere Plätze: Berlin Rang 54, Hamburg Rang 134, München Rang 206 und Köln, die junge Millionenstadt, auf Platz 305.
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Etwas anderes, aber durchaus auch Städtisches, ist ein menschliches Bedürfnis, das sich als Appetit äußert. Gegessen wird immer, heißt es.
Interessant ist zum Beispiel, was die Einwohner Berlins damals verzehrten. Es liegen Daten für 1740 und 1755 die, linear hochgerechnet, etwa 160.000 Einwohnern für 1774 entsprechen. Für dieses Jahr gibt es nämlich Aufzeichnungen über unvermutet üppige Fleischverzehre für die Stadt Berlin .
geschlachtet:
11.777 Ochsen und Kühe, 35.259 Kälber, 64.837 Hammel und 24.730 Schafe. Pro Kopf (einschl. kleiner Kinder) ergab das folgende Durchschnitts - Jahresverzehre:
• 17 Einwohner teilten sich einen geschlachteten Ochsen oder ein Kuh,
• 4,5 Personen ein Kalb,
• 2,5 Personen einen Hammel und
• 7 Personen ein Schaf.
Ein Ausflug an einen anderen Ort und noch dazu in die Gegenwart zeigt zum Beispiel an Hand von Daten für Nordrhein - Westfalen aus dem Jahre 2006 eine fast 10fache Menge an geschlachteten Schweinen, verglichen in der Relation zu Schlachtrindern für das damalige Berlin. In der Berliner Liste werden allerdings Schweine überhaupt nicht erwähnt…! Aus welchen Gründen auch immer…? Werden da vielleicht andere Konsumgewohnheiten sichtbar?
Für die Ernährung kamen 1774 in Berlin übers Jahr hinzu zusätzlich in unterschiedlichen Mengen Milch, Milchprodukte, Eier, Wild, Geflügel, Meeres-„früchte“, ganz sicher Getreide, Nüsse, diverse Gemüse, Beeren, Obst und natürlich auch Bier.
Im Durchschnitt dürfte die damalige Berliner Stadtbevölkerung keinen Hunger erlitten haben, selbst wenn als Folge der Hauptstadtfunktion Soldaten in ihrer Garnison, Reisende, Fremde, überhaupt Gäste, in der Stadt weilten und mitversorgt werden mussten.
Schauen wir auf den antiken Stadtbürger, so war er nach Max Weber ein Einwohner mit einem „vollen Ackerlos“, nach unserem Verständnis ein „Ackerbürger“, der sich weitgehend selbst versorgte.
Der moderne Städter, hier zum Beispiel der heutige New Yorker, ein Mega - Großstädter, kommt nachfolgend in Auszügen aus einem ausführlichen Interview zu Wort, das Daniel Cohn-Bendit mit dem Filmemacher Woody Allen bereits 1980 führte. In großer Offenheit spricht Woody Allen kenntnisreich, individualistisch und anschaulich lebendig über „seine Stadt New York“. Zugleich erfährt der Leser etwas über die amerikanische Metropole aus den Augen eines ungewöhnlichen New Yorkers.
Schon der erste Satz des Woody Allen verschafft einen charakteristischen Eindruck. Auf die Frage, was ihm besonders an New York gefalle:
„Oh, der nervöse Rhythmus dieser Stadt. Alles ist so aufregend und anregend, überwältigt einen, wie ein reißender Fluss. Hier kommt man mit den unterschiedlichen Menschen zusammen. Diese Stadt ist voller Energie und voller Spannungen.“ Und weiter: „…ein Paradox, dass die aufregendste Stadt zugleich die kaputteste ist.“
Der Autor Jerome Charyn nennt die New Yorker „tough kids“ gewalttätig, sprachlos, weich, reaktiv, konturlos und spricht vom „brutalen Rhythmus“ der Stadt. „Die Großstadt ist ein ständiger Schock“ meinte Sigmund Freud.
Als der Interviewer konstatiert: „Ich habe den Eindruck, New York ist so faszinierend, weil es eine riesige amerikanische Metropole und zugleich eine ganz europäische Stadt, wie eine große europäische Stadt ist, die nach Amerika verpflanzt wurde und so zu etwas ganz anderem wurde, mit ganz anderen Dimensionen.“ antwortet ihm Woody Allen: „Ja, das ist ein besonderes Merkmal von New York. Es ist die einzige Stadt in den Vereinigten Staaten, die immer mit europäischen Städten vergleichbar war. Die Stadt war immer eine Mischung sehr vieler Kulturen, aus Italienern, Juden, Iren, Schwarzen….N. Y. ist ein Zentrum für Intellektuelle…“
Und dann spricht der Promi schon 1980 von der notwendigen Veränderung der damaligen Welt: „…Ein wirklicher Wandel muss aus dem Bewusstsein kommen - ein menschenwürdiges Leben ist keine Frage von Verwaltung und Legislative.“ und fügt zeitkritisch hinzu, „dass es wirklich besser ist, eine moralische Entscheidung zu treffen, menschlicher und bescheidener zu leben…“ Woody Allan weiter:
„New York ist eine sehr laute, sehr lärmende Stadt; die Leute brüllen und schreien sich an, im Auto oder zu Fuß. Sie sind roh, hart…Sie sprechen, aber sie kommunizieren nicht. …es gibt keine Kommunikation.“
Cohn-Bendit: “In New York habe ich den Eindruck, dass es gar nicht notwendig ist, hinter die Oberfläche zu schauen, weil es dahinter gar nichts gibt. Eine Beschreibung der Oberfläche von New York machen, das ist dann auch schon New York.“
Woody Allen: „Ich glaube, das stimmt zum größten Teil…“
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Verlassen wir die Megastadt N. Y. einem Prototyp für die Entartung der Idee von einer vielseitigen, vielschichtigen, menschlichen Stadt, wie sie sich Planer meistens gestaltend kanalisiert denken, wünschen würden, um unterschiedliche Prozesse in Gang zu setzen, zu halten. In New York jedoch scheinen diese Bemühungen in jeglicher Hinsicht den Horizont für Überschaubarkeit verloren zu haben. Oder sie haben ihn überschritten und sind mit ihren knapp 19 Mio. gezählten Einwohnern (N.Y. Metropolregion), ihrer bunten Stadtbevölkerung und ihren babylonischen Sprachen zu mehr als 10 Ts. Menschen auf einem Quadratkilometer ein Chaosbündnis eingegangen.
Um uns einen Vergleich zu ermöglichen: Im Ruhrgebiet werden 5,1 Mio. Einwohner gezählt. In der verstädterten Kernzone leben 2.100 Menschen p. km². In Berlin waren 3,5 Mio. Einwohner zum 30.9.2011 gemeldet Die Wohndichte betrug 3.914 Personen auf einen km². Sowohl für das Ruhrgebiet als auch für Berlin gilt im Vergleich zu N. Y., es ist jeweils nur ein Bruchteil der Dichte von N. Y.
Wow!
Millionenstädte heute
Auf der ganzen Welt sind Ansiedlungen zu Megastädten mutiert. Die größte Stadt ist Shanghai mit 23 Mio. (!) Einwohnern. Rio de Janeiro hat mehr als 6 Mio. Einwohnern nimmt aber erst den Rang 26 ein, Berlin folgt auf Platz 54, Hamburg auf Rang 134, München hat im Ranking Nr. 206 und die junge Millionenstadt Köln folgt weit abgeschlagen auf Listenplatz 305.
Wir Europäer müssen wenigstens insoweit umdenken, als unsere historischen Verständnisse von „Großstadt“ durch die Gegenwart in jeder Hinsicht überholt wurden.
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Kurt Tucholsky 1890 - 1935
Will der Mensch auf dem Land, in der Stadt, in einer Metropole leben? …Jedem Tierchen sein Pläsierchen…
Der Dichter Tucholsky amüsierte sich 1927 über die Unvereinbarkeit berlinischer, wohl auch deutscher, widersprüchlicher, vielleicht allgemein menschlicher Wohnen - Wünsche:
„Ja, das möchtste: Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse, vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße; mit schöner Aussicht, ländlich - mondän, vorm Badezimmer ist die Zugspitze zu sehen - aber abends zum Kino hast du’s nicht weit. Ja, das möchtste.“
Stadt - Land - (in) Fluss - - - in Deutschland
Früher waren Städte wie steinerne Leuchttür-mehäufungen in der Landschaft. Weithin erkennbar im flachen Lande die Siedlungen. Die mittelalterlichen Stiche von MERIAN zeigen es uns in gestochenen Bildern. Stets ragten Kirchen empor. Paläste waren zu erkennen. Heute werden sakrale und feudale Gemäuer getoppt von Profanbauten mit unzähligen Etagen. Die Landschaft als Umgebung um viele Städte ist zu einer Sonderform generiert: Zur Zwischenform, zum Umland, zum „Speckgürtel“ um die „Agglomeration“ welche „Stadt“ ausmacht.
Für diese Entwicklung sammelt sich in Deutschland Kritik hinter einem signifikanten Vokabular. Jedes Wort birgt politischen Zündstoff:
DEUTSCHE „SPECKGÜRTEL“
Agglomeration, Automobilnutzung, Ballungszentrum, Bauen 2.0,, Besiedlungsdichte, Bauland, Bodenversiegelung, Brachflächenfond, Eigenheim, Eigentümerquote, Einfamilienhaus, Energieverbrauch, Etagenwohnung, Flächenverbrauch, Geisterstadt, Infrastruktur, Investorenarchitektur, Kompakte Stadt, Leerstand, Loft, Lohnsteuereinkommen am Wohnort, Nachbarschaft, Nichtstadt, Ökosünde, Pendler, Penthouse, Randgemeinde, Schlafstadt, Speckgürtel, Stadtflucht, Stadtzonierung, Straßenlärm, Trabantenstadt, Überproduktion, Bodenpolitik nach Ulm-Art, Wohnbauförderung, Wohnquartierdichte, Zersiedelung..
Die Statistiken verzeichnen Stadtflucht,
wenn junge Familien ein Häuschen im Grünen bauen oder - seltener - kaufen, dafür die Stadt verlassen, der Vater zum Pendler wird, nun zusätzlich häufig im Stau steht, die Mutter wenigstens einen Kleinwagen anschafft, um als Leibchauffeur, für die Kinder nach A fährt, von A nach B, von B nach C usf. und mit Freundinnen - Treff, Einkaufen und Reinigung ihrer Villa die Zeit „totschlägt“. Mit diesem Trend gehen Nachteile für die Allgemeinheit einher. Die diffe-renzierenden Fachleute fordern seit langem diverse Veränderungen der Rahmenbedingungen: Baurecht neu zu gestalten, in Städten mehr Individualität beim Bauen zuzulassen, Subventionsgewährungen streichen, Steuerrecht sollte die Lohnsteuer nicht dem Wohnort (teilweise) zufließen lassen, schnellere Umnutzung von städtischen Brachflächen, Neubauten nur bei unvermeidbarem Bedarf und dergl.
Jedoch wirkt unsere Wirtschaftsordnung fast immer kontraproduktiv. Warum eigentlich? Es erfahren grundsätzlich jene Tendenzen oder Trends keine Förderung, die darauf vertrauen, Wirtschaftssubjekte würden auf Handlungen verzichten, die ihnen Umsatz und damit Geld bringen. Die „reine Vernunft“ wird i. d. R. nur angewendet, wenn sie mit den wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten kompatibel ist oder sogar mehr Vorteile bietet.
Also: Ein Landbesitzer freut sich über die Ausweisung seines Ackers als „Bauland“, einen Architekten behagt es, eine „Bebauung“ auszutüfteln, ein Bauunternehmer ist beglückt, wenn er ein Gebäude, besser: mehrere Bauten, errichten darf und jede Gemeinde freut sich über eine Zunahme ihrer Einwohnerzahlen. Davon profitieren auch die Geschäftsleute vor Ort usw.
Wer also das „Ruder“ in der modernen Gesellschaft „herumreißen“ möchte, kommt nicht umhin, systemische Zwänge zu untersuchen. Ein „guter Wille“ reicht eben nicht.
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Kommunen & der demografische Wandel:
Geschrieben und geredet wird in Städten und Gemeinden viel, getan weniger bis nichts. Obwohl eine Umstellung großen Ausmaßes vor den Türen der Verwaltungen lauert. Die vielen alten Menschen stellen morgen und übermorgen völlig andere Erwartungen. Mit ein paar Spielplätzen und pädagogisch wertvollen Geräten darauf, mit weiteren Kindergärten, veränderten Betreuungszeiten, höherem Kindergeld allein werden die offenen Fragen der Senioren (künftig in größerer Zahl!) nicht beantwortet und die Probleme nicht gelöst. Vielleicht sollte man die Frage so formulieren:
Unsere Gesellschaft ist im Laufe der Jahrzehnte ein wenig kinderfreundlicher geworden. Ist sie aber auch „seniorenrichtig“?
Es könnte sein, dass Margaret Heckel in ihrem Buch „Die besten Jahre kommen noch!“ im Abschnitt „Städte im Wandel“ Antworten weiß.
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„Provinz“
In der Literatur aber auch in Small talks wird der Ausdruck, für den es keinen ausreichenden wissenschaftlichen Hintergrund gibt, meistens als Synonym für rückständiges, kleinkariertes, engstirniges Denken und Verhalten genutzt. Provinz ist aber auch kein Antonym zur Metropole, denn auch dort kann provinzhafte Assoziation genau so vorhanden sein wie auf dem „platten Land“. Vielleicht zählen eindimensionales Denken und eine bestimmte Isolation dazu. Historisch gesehen basiert die gesellschaftliche Ächtung der „Provinz“ auf der Tatsache, dass dort vermeintlich überwiegend Bauern, einfache Handwerker und Kleinhändler lebten, die naturgemäß nur eine als sehr schlicht zu bezeichnende Kultur hervorbrachten.
Vor allem ist die Provinz, ursprünglich ein geopolitischer Begriff aus der Antike, der immer in seiner zweiten Bedeutung für „weit weg von Rom“ stand und als Lebensmittelpunkt aus der Sicht der „Abgeordneten“ und vor deren Wunschhorizont: Metropole in der „Barbarei“ möglichst nur kurzzeitig zu ertragen war… Das Leben war dort zu langweilig…Unterhaltung, Vergnügen, kultiviertes Leben, Luxus, Moden, auf das alles musste damals verzichtet werden. Die Westdeutschen empfanden „Provinz“ - „Busch“ ge-nannt, wenn sie in den 1990er Jahren in das Gebiet der untergegangenen DDR zum „Aufbau Ost“ „auserkoren“ wurden.
Wegen der Verzichte dienten ausgleichende Geldzuwendungen.
Heute hat der Begriff „Provinz“ sehr viel von seiner dahinter stehenden Bedeutung eingebüßt. Fernsehen und Internet nivellieren die soziologischen Unterschiede zwischen z. B. den Metropolen und dem platten Land. Begriffe wie provinzhaft, Provinztheater oder Provinzposse kommen alltagssprachlich zwar vor, beschreiben abschätzig, sind aber keine Bestandteile von Beobachtungen innerhalb lokaler Begrenzungen.
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MEGASTÄDTE:
Auf der ganzen Welt sind Riesenstädte - siehe oben - zurzeit im Entstehen, die unsere Vorstellungen vom städtischen Leben im europäischen Sinne nicht entfernt spiegeln.
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Die städtische Entwicklung in Europa beginnt im 18. Jahrhundert. Stadt, das war Herrschaftssitz, Residenzstadt mit Palästen und mindestens einem Theater, Kirchen und Klöster für die Gläubigen, Verwaltungen, Gericht, Handwerker mit spezialisierten Gewerken, Händler auch für exotische Waren und Marktplatz für Höker und wohlhabende Bürger. Städte dienten vor allem den „besseren Leuten“ mit ihren höheren Bedarfen, um die sich diensthabende „Hausgeister“ scharten. Aber, und da sind wir wieder bei der Eingangsbemerkung über die Hartz IV - Empfänger: In den Städten gab es auch viele Arme, sehr Arme, Bettler, Kranke, Siechende und daneben allerlei lichtscheues Gesindel mit manchmal krimineller Energie.
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Grossburgwedel - kleine Stadt ganz groß?
Seit dem Frühjahr 2012 ist dieser Stadtteil der niedersächsischen Kleinstadt Burgwedel, nord-nord-ost von Hannover gelegen, in vielen Medien präsent. Thema: Bundespräsident Christian Wulff und seine Gattin Bettina, 1973 in Hannover geboren und danach hier aufgewachsene und gern gesehene Körner.
Bisher wusste vor allem der BAB-7- Benutzer meistens nur, dass er oder sie ganz nahe an der Abfahrt 54 eines der großen IKEA - Häuser findet.
Als Geheimtipp gehandelt die Info, dass sich dort schon frühmorgens junge Mütter mit ihren Kindern im Restaurant zum Frühimbiss einfinden. Und dass bereits schon eine halbe Stunde bevor die Tore zum glückselig machenden IKEA - Paradies geöffnet werden. Mit „Family-card“ und kleinem Obolus bedienen sich Moms hier beim Kaffee zum kostenfreien Nachfüllen…Kinder spielen.
Wenige wussten, dass sich hier und im benachbarten Isernhagen ähnlich wie in Gifhorn bei Wolfsburg oder Meerbusch bei Düsseldorf jene (städtischen) Pendler für Hannover finden, die auf eine wertvolle Scholle und ein distinguiertes Umfeld in idyllischer Ortslage großen Wohnwert legen.
Der hiesige Golfspieler wählt unter mindestens drei geräumigen Nobelclubs, sogar Polo wird in einem Ortsteil des benachbarten Langenhagen geboten. Pferdesport ist im nordöstlichen Teil des hannoverschen Umfeldes fast überall zu Hause.
In aktueller aber dezenter Ergänzung der gehobenen Wohnqualität:
Ein Großburgwedeler Koch wurde 2012 mit einer Michelin - Auszeichnung geehrt…Und als Neubürger wird in der Wöhlerstraße der Fußballkapitän von Hannover 96 nach Baufertigstellung herzhaft begrüßt. Er rückt damit auch privat näher an den prominenten Unternehmer Martin Kind heran, den u. a. viele Fußballfans als den erfolgreichen Präsidenten von 96 sehr schätzen.
Und sonst?
Über Dirk Rossmann wurde hier schon faktenbetont und anerkennend geschrieben.
Na, ja, und die unliebsame Diskussion über Christian Wulff wird hoffentlich bald vorüber sein. Sie ist Vielen peinlich. Und unterdrückt vielleicht andere Entwicklungen, was für eine Kleinstadt nicht gerade förderlich ist. Schließlich ist Burgwedel keine Mega-City, in der ein "gehypter Skandal" von bedeutenden Ereignissen, welcher Art auch immer, zugedeckt wird.
Als Motto für die Zukunft könnte gelten:
Kreativ sein und Mensch bleiben. Es wird uns schon gelingen.
Solche Hoffnungen sind doch berechtigt. Meinen Sie nicht auch?
Montag, 19. November 2012
© Karl Wilhelm Goebel
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Zunächst: ATTRIBUTE DEUTSCHER STÄDTE:
Airport, Allee, Appartement, Bahnhof, Balkon, Ballett, Brunnen, Coffee Shop, Dom, Eisenbahn, Fach-Werk, Fahrradkuriere, Gasse, Handwerk, High heels, Hotel, Imbiss, Kaufhaus, Kino, Konzert, Kunst, Lust, Markt, Mode, Museum, Musik, Nightlife, Oper, Park, Pater noster, Platz, Promenade, Rathaus, S-Bahn, Schwan, Stadion, Straßenbahn, Straßenpflaster, Suite, Taglärm, Tauben, Taxi, Theater, Treppe, U - Bahn, Vertikale, Zoo,
2012 © Karl Wilhelm Goebel
Das sind Key Words..., jedoch unvollzählig…: Schlüsselwörter für die gegenwärtige Stadtkultur in Deutschland.
Dort, wo mehrere dieser Begriffe durch Vorhandensein ihrer Inhalte besetzt sind, - ja, da ist Stadt und - kein Land in Sicht.
Schlicht & einfach. Deutschstadt -land, e-ben.. .
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DER TAGESSPIEGEL wies auf die soziale Tatsache hin, wonach in Berlin einerseits wirtschaftliche Positivsignale zu entdecken sind, andererseits sei die deutsche Hauptstadt jedoch zugleich auch „Hauptstadt der Hartz IV -Empfänger“. Mich überraschte diese kontrapunktische Anmerkung. Einerseits.
Auf der anderen Seite erinnerte ich mich an Literarisches gerade über die „Stadt“ als in ihr tausendfach, millionenfach wiederholte und relativ verdichtete Wohnform, die beim Besucher eigentlich Langeweile auslösen müsste.
Wenn aber schon die Wohnformen weitgehend gleich sind, dürften auch die Lebensumstände ähnlich sein. Das war mein Urteil, nein: Vorurteil.
Hier nun ein gänzlich anderer Gedankenansatz für das Thema „Städte“:
Wenn es einen „Stadtneurotiker“ (Woody Allen) in New York gibt, so scheint das für ungewöhnliche Lebensbedingungen unter urbanen Voraussetzungen zu sprechen…
Zunächst aber erst etwas Allgemeines…
Sozialwissenschaftlich betrachtet zeichnen sich alle Städte i. d. Regel, wie schon zuvor angedeutet, durch eine hohe Siedlungsdichte und zusätzlich durch eine Vielzahl von Menschen in der Fläche der Stadt aus. Hinzu kommt meistens eine hohe, soziale Differenzierung innerhalb der Bevölkerung.
So gesehen ist die Eingangsbemerkung über die große Zahl vorhandener Hartz IV - Empfänger im heutigen Berlin wahrscheinlich ideal-typisch und geradezu signifikant, wenn auch von den wirtschaftlich Verantwortlichen unerwünscht, erst recht für eine Millionenstadt.
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Berlin, heute die größte Stadt in Deutschland, war früher schon Hauptstadt! Und zwar des Preußischen Königreiches. Doch, näher gemustert, Berlin ist heute bald 4 Mio. Einwohner stark, damals, aus heutiger Sicht, eine übersichtliche Stadt. mit (1740) ca. 100.000 Einwohnern und 1755 allerdings schon 126.661 Menschen.
Um 1800 lebten im Deutschen Reich ca. 25 % der gesamten, deutschen Bevölkerung in Städten und 2005 waren es bereits 85 %. Als Ursache wird der Wandel in der wirtschaftlichen Wertschöpfung gesehen, die in Deutschland heute hauptsächlich im Sektor Dienstleistungen generiert wird.
Wenn dagegen ein Ort in Deutschland wie Neumark mit seinen 480 Einwohnen seit 1326 Stadtrechte besitzt, so erscheint das uns Heutige wie ein Kuriosum. Vermutlich wurde die Verleihung der Stadtrechte seinerzeit an Erwartungen geknüpft, die im Laufe der Zeit dann wohl doch nicht Wirklichkeit werden konnten.
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Überhaupt scheinen sich die
Dimensionen von großen Städten
in der jüngeren Vergangenheit extrem nach oben verschoben zu haben.
Auf Welt - Platz 1 der heutigen Millionenstädte findet sich Shanghai mit 23 Mio. (!) Einwohnern, Rio de Janeiro mit „nur“ 6 Mio. Menschen landet erst auf Platz 26 und die deutschen Millionenstädte haben hintere Plätze: Berlin Rang 54, Hamburg Rang 134, München Rang 206 und Köln, die junge Millionenstadt, auf Platz 305.
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Etwas anderes, aber durchaus auch Städtisches, ist ein menschliches Bedürfnis, das sich als Appetit äußert. Gegessen wird immer, heißt es.
Interessant ist zum Beispiel, was die Einwohner Berlins damals verzehrten. Es liegen Daten für 1740 und 1755 die, linear hochgerechnet, etwa 160.000 Einwohnern für 1774 entsprechen. Für dieses Jahr gibt es nämlich Aufzeichnungen über unvermutet üppige Fleischverzehre für die Stadt Berlin .
geschlachtet:
11.777 Ochsen und Kühe, 35.259 Kälber, 64.837 Hammel und 24.730 Schafe. Pro Kopf (einschl. kleiner Kinder) ergab das folgende Durchschnitts - Jahresverzehre:
• 17 Einwohner teilten sich einen geschlachteten Ochsen oder ein Kuh,
• 4,5 Personen ein Kalb,
• 2,5 Personen einen Hammel und
• 7 Personen ein Schaf.
Ein Ausflug an einen anderen Ort und noch dazu in die Gegenwart zeigt zum Beispiel an Hand von Daten für Nordrhein - Westfalen aus dem Jahre 2006 eine fast 10fache Menge an geschlachteten Schweinen, verglichen in der Relation zu Schlachtrindern für das damalige Berlin. In der Berliner Liste werden allerdings Schweine überhaupt nicht erwähnt…! Aus welchen Gründen auch immer…? Werden da vielleicht andere Konsumgewohnheiten sichtbar?
Für die Ernährung kamen 1774 in Berlin übers Jahr hinzu zusätzlich in unterschiedlichen Mengen Milch, Milchprodukte, Eier, Wild, Geflügel, Meeres-„früchte“, ganz sicher Getreide, Nüsse, diverse Gemüse, Beeren, Obst und natürlich auch Bier.
Im Durchschnitt dürfte die damalige Berliner Stadtbevölkerung keinen Hunger erlitten haben, selbst wenn als Folge der Hauptstadtfunktion Soldaten in ihrer Garnison, Reisende, Fremde, überhaupt Gäste, in der Stadt weilten und mitversorgt werden mussten.
Schauen wir auf den antiken Stadtbürger, so war er nach Max Weber ein Einwohner mit einem „vollen Ackerlos“, nach unserem Verständnis ein „Ackerbürger“, der sich weitgehend selbst versorgte.
Der moderne Städter, hier zum Beispiel der heutige New Yorker, ein Mega - Großstädter, kommt nachfolgend in Auszügen aus einem ausführlichen Interview zu Wort, das Daniel Cohn-Bendit mit dem Filmemacher Woody Allen bereits 1980 führte. In großer Offenheit spricht Woody Allen kenntnisreich, individualistisch und anschaulich lebendig über „seine Stadt New York“. Zugleich erfährt der Leser etwas über die amerikanische Metropole aus den Augen eines ungewöhnlichen New Yorkers.
Schon der erste Satz des Woody Allen verschafft einen charakteristischen Eindruck. Auf die Frage, was ihm besonders an New York gefalle:
„Oh, der nervöse Rhythmus dieser Stadt. Alles ist so aufregend und anregend, überwältigt einen, wie ein reißender Fluss. Hier kommt man mit den unterschiedlichen Menschen zusammen. Diese Stadt ist voller Energie und voller Spannungen.“ Und weiter: „…ein Paradox, dass die aufregendste Stadt zugleich die kaputteste ist.“
Der Autor Jerome Charyn nennt die New Yorker „tough kids“ gewalttätig, sprachlos, weich, reaktiv, konturlos und spricht vom „brutalen Rhythmus“ der Stadt. „Die Großstadt ist ein ständiger Schock“ meinte Sigmund Freud.
Als der Interviewer konstatiert: „Ich habe den Eindruck, New York ist so faszinierend, weil es eine riesige amerikanische Metropole und zugleich eine ganz europäische Stadt, wie eine große europäische Stadt ist, die nach Amerika verpflanzt wurde und so zu etwas ganz anderem wurde, mit ganz anderen Dimensionen.“ antwortet ihm Woody Allen: „Ja, das ist ein besonderes Merkmal von New York. Es ist die einzige Stadt in den Vereinigten Staaten, die immer mit europäischen Städten vergleichbar war. Die Stadt war immer eine Mischung sehr vieler Kulturen, aus Italienern, Juden, Iren, Schwarzen….N. Y. ist ein Zentrum für Intellektuelle…“
Und dann spricht der Promi schon 1980 von der notwendigen Veränderung der damaligen Welt: „…Ein wirklicher Wandel muss aus dem Bewusstsein kommen - ein menschenwürdiges Leben ist keine Frage von Verwaltung und Legislative.“ und fügt zeitkritisch hinzu, „dass es wirklich besser ist, eine moralische Entscheidung zu treffen, menschlicher und bescheidener zu leben…“ Woody Allan weiter:
„New York ist eine sehr laute, sehr lärmende Stadt; die Leute brüllen und schreien sich an, im Auto oder zu Fuß. Sie sind roh, hart…Sie sprechen, aber sie kommunizieren nicht. …es gibt keine Kommunikation.“
Cohn-Bendit: “In New York habe ich den Eindruck, dass es gar nicht notwendig ist, hinter die Oberfläche zu schauen, weil es dahinter gar nichts gibt. Eine Beschreibung der Oberfläche von New York machen, das ist dann auch schon New York.“
Woody Allen: „Ich glaube, das stimmt zum größten Teil…“
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Verlassen wir die Megastadt N. Y. einem Prototyp für die Entartung der Idee von einer vielseitigen, vielschichtigen, menschlichen Stadt, wie sie sich Planer meistens gestaltend kanalisiert denken, wünschen würden, um unterschiedliche Prozesse in Gang zu setzen, zu halten. In New York jedoch scheinen diese Bemühungen in jeglicher Hinsicht den Horizont für Überschaubarkeit verloren zu haben. Oder sie haben ihn überschritten und sind mit ihren knapp 19 Mio. gezählten Einwohnern (N.Y. Metropolregion), ihrer bunten Stadtbevölkerung und ihren babylonischen Sprachen zu mehr als 10 Ts. Menschen auf einem Quadratkilometer ein Chaosbündnis eingegangen.
Um uns einen Vergleich zu ermöglichen: Im Ruhrgebiet werden 5,1 Mio. Einwohner gezählt. In der verstädterten Kernzone leben 2.100 Menschen p. km². In Berlin waren 3,5 Mio. Einwohner zum 30.9.2011 gemeldet Die Wohndichte betrug 3.914 Personen auf einen km². Sowohl für das Ruhrgebiet als auch für Berlin gilt im Vergleich zu N. Y., es ist jeweils nur ein Bruchteil der Dichte von N. Y.
Wow!
Millionenstädte heute
Auf der ganzen Welt sind Ansiedlungen zu Megastädten mutiert. Die größte Stadt ist Shanghai mit 23 Mio. (!) Einwohnern. Rio de Janeiro hat mehr als 6 Mio. Einwohnern nimmt aber erst den Rang 26 ein, Berlin folgt auf Platz 54, Hamburg auf Rang 134, München hat im Ranking Nr. 206 und die junge Millionenstadt Köln folgt weit abgeschlagen auf Listenplatz 305.
Wir Europäer müssen wenigstens insoweit umdenken, als unsere historischen Verständnisse von „Großstadt“ durch die Gegenwart in jeder Hinsicht überholt wurden.
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Kurt Tucholsky 1890 - 1935
Will der Mensch auf dem Land, in der Stadt, in einer Metropole leben? …Jedem Tierchen sein Pläsierchen…
Der Dichter Tucholsky amüsierte sich 1927 über die Unvereinbarkeit berlinischer, wohl auch deutscher, widersprüchlicher, vielleicht allgemein menschlicher Wohnen - Wünsche:
„Ja, das möchtste: Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse, vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße; mit schöner Aussicht, ländlich - mondän, vorm Badezimmer ist die Zugspitze zu sehen - aber abends zum Kino hast du’s nicht weit. Ja, das möchtste.“
Stadt - Land - (in) Fluss - - - in Deutschland
Früher waren Städte wie steinerne Leuchttür-mehäufungen in der Landschaft. Weithin erkennbar im flachen Lande die Siedlungen. Die mittelalterlichen Stiche von MERIAN zeigen es uns in gestochenen Bildern. Stets ragten Kirchen empor. Paläste waren zu erkennen. Heute werden sakrale und feudale Gemäuer getoppt von Profanbauten mit unzähligen Etagen. Die Landschaft als Umgebung um viele Städte ist zu einer Sonderform generiert: Zur Zwischenform, zum Umland, zum „Speckgürtel“ um die „Agglomeration“ welche „Stadt“ ausmacht.
Für diese Entwicklung sammelt sich in Deutschland Kritik hinter einem signifikanten Vokabular. Jedes Wort birgt politischen Zündstoff:
DEUTSCHE „SPECKGÜRTEL“
Agglomeration, Automobilnutzung, Ballungszentrum, Bauen 2.0,, Besiedlungsdichte, Bauland, Bodenversiegelung, Brachflächenfond, Eigenheim, Eigentümerquote, Einfamilienhaus, Energieverbrauch, Etagenwohnung, Flächenverbrauch, Geisterstadt, Infrastruktur, Investorenarchitektur, Kompakte Stadt, Leerstand, Loft, Lohnsteuereinkommen am Wohnort, Nachbarschaft, Nichtstadt, Ökosünde, Pendler, Penthouse, Randgemeinde, Schlafstadt, Speckgürtel, Stadtflucht, Stadtzonierung, Straßenlärm, Trabantenstadt, Überproduktion, Bodenpolitik nach Ulm-Art, Wohnbauförderung, Wohnquartierdichte, Zersiedelung..
Die Statistiken verzeichnen Stadtflucht,
wenn junge Familien ein Häuschen im Grünen bauen oder - seltener - kaufen, dafür die Stadt verlassen, der Vater zum Pendler wird, nun zusätzlich häufig im Stau steht, die Mutter wenigstens einen Kleinwagen anschafft, um als Leibchauffeur, für die Kinder nach A fährt, von A nach B, von B nach C usf. und mit Freundinnen - Treff, Einkaufen und Reinigung ihrer Villa die Zeit „totschlägt“. Mit diesem Trend gehen Nachteile für die Allgemeinheit einher. Die diffe-renzierenden Fachleute fordern seit langem diverse Veränderungen der Rahmenbedingungen: Baurecht neu zu gestalten, in Städten mehr Individualität beim Bauen zuzulassen, Subventionsgewährungen streichen, Steuerrecht sollte die Lohnsteuer nicht dem Wohnort (teilweise) zufließen lassen, schnellere Umnutzung von städtischen Brachflächen, Neubauten nur bei unvermeidbarem Bedarf und dergl.
Jedoch wirkt unsere Wirtschaftsordnung fast immer kontraproduktiv. Warum eigentlich? Es erfahren grundsätzlich jene Tendenzen oder Trends keine Förderung, die darauf vertrauen, Wirtschaftssubjekte würden auf Handlungen verzichten, die ihnen Umsatz und damit Geld bringen. Die „reine Vernunft“ wird i. d. R. nur angewendet, wenn sie mit den wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten kompatibel ist oder sogar mehr Vorteile bietet.
Also: Ein Landbesitzer freut sich über die Ausweisung seines Ackers als „Bauland“, einen Architekten behagt es, eine „Bebauung“ auszutüfteln, ein Bauunternehmer ist beglückt, wenn er ein Gebäude, besser: mehrere Bauten, errichten darf und jede Gemeinde freut sich über eine Zunahme ihrer Einwohnerzahlen. Davon profitieren auch die Geschäftsleute vor Ort usw.
Wer also das „Ruder“ in der modernen Gesellschaft „herumreißen“ möchte, kommt nicht umhin, systemische Zwänge zu untersuchen. Ein „guter Wille“ reicht eben nicht.
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Kommunen & der demografische Wandel:
Geschrieben und geredet wird in Städten und Gemeinden viel, getan weniger bis nichts. Obwohl eine Umstellung großen Ausmaßes vor den Türen der Verwaltungen lauert. Die vielen alten Menschen stellen morgen und übermorgen völlig andere Erwartungen. Mit ein paar Spielplätzen und pädagogisch wertvollen Geräten darauf, mit weiteren Kindergärten, veränderten Betreuungszeiten, höherem Kindergeld allein werden die offenen Fragen der Senioren (künftig in größerer Zahl!) nicht beantwortet und die Probleme nicht gelöst. Vielleicht sollte man die Frage so formulieren:
Unsere Gesellschaft ist im Laufe der Jahrzehnte ein wenig kinderfreundlicher geworden. Ist sie aber auch „seniorenrichtig“?
Es könnte sein, dass Margaret Heckel in ihrem Buch „Die besten Jahre kommen noch!“ im Abschnitt „Städte im Wandel“ Antworten weiß.
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„Provinz“
In der Literatur aber auch in Small talks wird der Ausdruck, für den es keinen ausreichenden wissenschaftlichen Hintergrund gibt, meistens als Synonym für rückständiges, kleinkariertes, engstirniges Denken und Verhalten genutzt. Provinz ist aber auch kein Antonym zur Metropole, denn auch dort kann provinzhafte Assoziation genau so vorhanden sein wie auf dem „platten Land“. Vielleicht zählen eindimensionales Denken und eine bestimmte Isolation dazu. Historisch gesehen basiert die gesellschaftliche Ächtung der „Provinz“ auf der Tatsache, dass dort vermeintlich überwiegend Bauern, einfache Handwerker und Kleinhändler lebten, die naturgemäß nur eine als sehr schlicht zu bezeichnende Kultur hervorbrachten.
Vor allem ist die Provinz, ursprünglich ein geopolitischer Begriff aus der Antike, der immer in seiner zweiten Bedeutung für „weit weg von Rom“ stand und als Lebensmittelpunkt aus der Sicht der „Abgeordneten“ und vor deren Wunschhorizont: Metropole in der „Barbarei“ möglichst nur kurzzeitig zu ertragen war… Das Leben war dort zu langweilig…Unterhaltung, Vergnügen, kultiviertes Leben, Luxus, Moden, auf das alles musste damals verzichtet werden. Die Westdeutschen empfanden „Provinz“ - „Busch“ ge-nannt, wenn sie in den 1990er Jahren in das Gebiet der untergegangenen DDR zum „Aufbau Ost“ „auserkoren“ wurden.
Wegen der Verzichte dienten ausgleichende Geldzuwendungen.
Heute hat der Begriff „Provinz“ sehr viel von seiner dahinter stehenden Bedeutung eingebüßt. Fernsehen und Internet nivellieren die soziologischen Unterschiede zwischen z. B. den Metropolen und dem platten Land. Begriffe wie provinzhaft, Provinztheater oder Provinzposse kommen alltagssprachlich zwar vor, beschreiben abschätzig, sind aber keine Bestandteile von Beobachtungen innerhalb lokaler Begrenzungen.
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MEGASTÄDTE:
Auf der ganzen Welt sind Riesenstädte - siehe oben - zurzeit im Entstehen, die unsere Vorstellungen vom städtischen Leben im europäischen Sinne nicht entfernt spiegeln.
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Die städtische Entwicklung in Europa beginnt im 18. Jahrhundert. Stadt, das war Herrschaftssitz, Residenzstadt mit Palästen und mindestens einem Theater, Kirchen und Klöster für die Gläubigen, Verwaltungen, Gericht, Handwerker mit spezialisierten Gewerken, Händler auch für exotische Waren und Marktplatz für Höker und wohlhabende Bürger. Städte dienten vor allem den „besseren Leuten“ mit ihren höheren Bedarfen, um die sich diensthabende „Hausgeister“ scharten. Aber, und da sind wir wieder bei der Eingangsbemerkung über die Hartz IV - Empfänger: In den Städten gab es auch viele Arme, sehr Arme, Bettler, Kranke, Siechende und daneben allerlei lichtscheues Gesindel mit manchmal krimineller Energie.
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Grossburgwedel - kleine Stadt ganz groß?
Seit dem Frühjahr 2012 ist dieser Stadtteil der niedersächsischen Kleinstadt Burgwedel, nord-nord-ost von Hannover gelegen, in vielen Medien präsent. Thema: Bundespräsident Christian Wulff und seine Gattin Bettina, 1973 in Hannover geboren und danach hier aufgewachsene und gern gesehene Körner.
Bisher wusste vor allem der BAB-7- Benutzer meistens nur, dass er oder sie ganz nahe an der Abfahrt 54 eines der großen IKEA - Häuser findet.
Als Geheimtipp gehandelt die Info, dass sich dort schon frühmorgens junge Mütter mit ihren Kindern im Restaurant zum Frühimbiss einfinden. Und dass bereits schon eine halbe Stunde bevor die Tore zum glückselig machenden IKEA - Paradies geöffnet werden. Mit „Family-card“ und kleinem Obolus bedienen sich Moms hier beim Kaffee zum kostenfreien Nachfüllen…Kinder spielen.
Wenige wussten, dass sich hier und im benachbarten Isernhagen ähnlich wie in Gifhorn bei Wolfsburg oder Meerbusch bei Düsseldorf jene (städtischen) Pendler für Hannover finden, die auf eine wertvolle Scholle und ein distinguiertes Umfeld in idyllischer Ortslage großen Wohnwert legen.
Der hiesige Golfspieler wählt unter mindestens drei geräumigen Nobelclubs, sogar Polo wird in einem Ortsteil des benachbarten Langenhagen geboten. Pferdesport ist im nordöstlichen Teil des hannoverschen Umfeldes fast überall zu Hause.
In aktueller aber dezenter Ergänzung der gehobenen Wohnqualität:
Ein Großburgwedeler Koch wurde 2012 mit einer Michelin - Auszeichnung geehrt…Und als Neubürger wird in der Wöhlerstraße der Fußballkapitän von Hannover 96 nach Baufertigstellung herzhaft begrüßt. Er rückt damit auch privat näher an den prominenten Unternehmer Martin Kind heran, den u. a. viele Fußballfans als den erfolgreichen Präsidenten von 96 sehr schätzen.
Und sonst?
Über Dirk Rossmann wurde hier schon faktenbetont und anerkennend geschrieben.
Na, ja, und die unliebsame Diskussion über Christian Wulff wird hoffentlich bald vorüber sein. Sie ist Vielen peinlich. Und unterdrückt vielleicht andere Entwicklungen, was für eine Kleinstadt nicht gerade förderlich ist. Schließlich ist Burgwedel keine Mega-City, in der ein "gehypter Skandal" von bedeutenden Ereignissen, welcher Art auch immer, zugedeckt wird.
Als Motto für die Zukunft könnte gelten:
Kreativ sein und Mensch bleiben. Es wird uns schon gelingen.
Solche Hoffnungen sind doch berechtigt. Meinen Sie nicht auch?
Montag, 19. November 2012
© Karl Wilhelm Goebel
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