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Montag, 9. April 2012
Nicht Fahrscheinfinanzierter ÖPNV, ein Diskussionsbeitrag
klugschieters, 14:40h
In Europas Rathäusern wird derzeit ein ehrgeiziges Projekt durchgerechnet: kostenloser Nahverkehr.
Die Esten machen es derzeit vor. Ab 2013 können alle 400 000 Bürger gratis mit Bus oder Bahn durch ihre Hauptstadt Tallinn gondeln. Umweltschützer sind begeistert und Haushaltspolitiker entsetzt. 20 Millionen Euro müssen aus der Stadtkasse bereitgestellt werden. Mit den Freifahrten sollen die im Berufsverkehr häufig verstopften Straßen Tallinns entlastet werden. Um die Maßnahme zu finanzieren, plant die baltische Stadt Umstrukturierungen bei den öffentlichen Verkehrsbetrieben und im städtischen Haushalt. Tallin ist somit die erste Großstadt, die diesen zukunftweisenden Weg geht.
In Deutschland wird darüber kontrovers diskutiert.
Die Piratenpartei jedenfalls ist schon mal dafür und in der belgischen Stadt Hasselt ist der Busverkehr zum Nulltarif bereits seit 1997 erfolgreich eingeführt.
Das schauen wir uns mal näher an:
Vor 1997 nutzten 360.000 Fahrgäste pro Jahr die Linienbusse der damals 68.000 Einwohner-Stadt in der Provinz Limburg. Nach der Umstellung stieg die Zahl der Fahrgäste innerhalb 12 Monate auf 2,7 Millionen an und bis 2008 auf rund 4,5 Millionen. Wurden bis 1997 gerade mal zwei Linien mit acht Stadtbussen bedient, sind es heute 46 Busse, die elf Linien befahren.
In Hasselt hat das Verkehrskonzept dazu geführt, dass bis zu 30 Prozent mehr Menschen in die Stadt kommen und die Umsätze des Einzelhandels seit der Umgestaltung stiegen. Der Gewinn an Lebensqualität ließ die Einwohnerzahl auf jetzt 73.000 anwachsen. Die vierspurige Ringstraße, die ursprünglich für den Autoverkehr ausgebaut werden sollte, ließ Bürgermeister Stevaert mit 400 Bäumen bepflanzen und zum fußgänger- und radfahrerfreundlichen „Grünen Boulevard“ umgestalten, die Innenstadt wurde Verkehrsberuhigt und teils Autofrei.
Und wie haben die cleveren Belgier das gemacht? 800 Parkplätze im Stadtgebiet wurden abgeschafft und Straßen zurückgebaut. Parken kostete jetzt 1 Euro die erste Stunde, danach wurden 10 Euro für den halben Tag fällig. Die Parkeinnahmen werden direkt in den öffentlichen-Personen-Nah-Verkehr investiert. Durch Einsparungen an sonst notwendig gewordenen Investitionen für den Bau weiterer Straßen und Parkplätzen wurde es möglich, den nicht durch Fahrscheine finanzierten Busverkehr für Hasselt und die nähere Umgebung einzurichten.
Die Stadt erstattet dem Verkehrsanbieter die Einnahmeausfälle in Höhe von etwa 800.000 Euro. Trotz der Fahrgastzuwächse blieb dies ein vernachlässigbarer Posten im kommunalen Haushalt. Hasselt muss weniger als 1 Prozent der städtischen Budgets an den Verkehrsanbieter zahlen. Das sind etwa 18 Euro im Jahr pro Steuerzahler.
Ähnliche Projekte gibt es in den brandenburgischen Kleinstädten Templin und Lübben. Beide haben etwa 15.000 Einwohner und in beiden Städten stiegen die Fahrgastzahlen um etwa das sechsfache. Bei beiden Kommunen fehlt allerdings ein Gesamtkonzept wie in Hasselt.
Und wenn nun alle Bedenkenträger sofort argumentieren, das sei alles unbezahlbar und sowieso nur das Alimentieren von Sozialträumen, weise ich auf die subventionierten Steuervorteile von mehr als 53 Milliarden Euro hin.
Ob Flugzeug- oder Schiffsbau, ob Containerindustrie oder Binnenschifffahrt, ob Kfz-Steuerbefreiung für Zirkuswagen oder ermäßigter Umsatzsteuersatz für Hoteliers- Geld ist genug da.
Beim Bund, den Ländern, Gemeinden und der Europäische Union summieren sich alle 2010 gezahlten direkten und indirekten Subventionen für Deutschland auf 164 Milliarden Euro.
Als realistisches Kürzungspotential ermittelte das Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW) Subventionen über 58 Milliarden Euro pro Jahr.
Die Frage ist doch, wo und für was Steuergelder eingesetzt werden und wie der ökonomisch und ökologisch unsinnige Individualverkehr, zumindest in Ballungsräumen, reduziert werden kann. Angesichts des ausgehenden Rohstoffes Öl und des immensen Bedarfes von Ländern wie China oder Indien, wird ein Liter Benzin oder Diesel in wenigen Jahren irgendwo bei vier Euro liegen.
Und wie denkt die etablierte Politik darüber?
Heiner Monheim, Professor für Angewandte Geographie und Raumentwicklung an der Universität Trier sagte dazu: „Die deutsche Politik will keine Verkehrsprobleme lösen, sondern Autos verkaufen und autofreundlichen Populismus betreiben“.
Johann I.
Die Esten machen es derzeit vor. Ab 2013 können alle 400 000 Bürger gratis mit Bus oder Bahn durch ihre Hauptstadt Tallinn gondeln. Umweltschützer sind begeistert und Haushaltspolitiker entsetzt. 20 Millionen Euro müssen aus der Stadtkasse bereitgestellt werden. Mit den Freifahrten sollen die im Berufsverkehr häufig verstopften Straßen Tallinns entlastet werden. Um die Maßnahme zu finanzieren, plant die baltische Stadt Umstrukturierungen bei den öffentlichen Verkehrsbetrieben und im städtischen Haushalt. Tallin ist somit die erste Großstadt, die diesen zukunftweisenden Weg geht.
In Deutschland wird darüber kontrovers diskutiert.
Die Piratenpartei jedenfalls ist schon mal dafür und in der belgischen Stadt Hasselt ist der Busverkehr zum Nulltarif bereits seit 1997 erfolgreich eingeführt.
Das schauen wir uns mal näher an:
Vor 1997 nutzten 360.000 Fahrgäste pro Jahr die Linienbusse der damals 68.000 Einwohner-Stadt in der Provinz Limburg. Nach der Umstellung stieg die Zahl der Fahrgäste innerhalb 12 Monate auf 2,7 Millionen an und bis 2008 auf rund 4,5 Millionen. Wurden bis 1997 gerade mal zwei Linien mit acht Stadtbussen bedient, sind es heute 46 Busse, die elf Linien befahren.
In Hasselt hat das Verkehrskonzept dazu geführt, dass bis zu 30 Prozent mehr Menschen in die Stadt kommen und die Umsätze des Einzelhandels seit der Umgestaltung stiegen. Der Gewinn an Lebensqualität ließ die Einwohnerzahl auf jetzt 73.000 anwachsen. Die vierspurige Ringstraße, die ursprünglich für den Autoverkehr ausgebaut werden sollte, ließ Bürgermeister Stevaert mit 400 Bäumen bepflanzen und zum fußgänger- und radfahrerfreundlichen „Grünen Boulevard“ umgestalten, die Innenstadt wurde Verkehrsberuhigt und teils Autofrei.
Und wie haben die cleveren Belgier das gemacht? 800 Parkplätze im Stadtgebiet wurden abgeschafft und Straßen zurückgebaut. Parken kostete jetzt 1 Euro die erste Stunde, danach wurden 10 Euro für den halben Tag fällig. Die Parkeinnahmen werden direkt in den öffentlichen-Personen-Nah-Verkehr investiert. Durch Einsparungen an sonst notwendig gewordenen Investitionen für den Bau weiterer Straßen und Parkplätzen wurde es möglich, den nicht durch Fahrscheine finanzierten Busverkehr für Hasselt und die nähere Umgebung einzurichten.
Die Stadt erstattet dem Verkehrsanbieter die Einnahmeausfälle in Höhe von etwa 800.000 Euro. Trotz der Fahrgastzuwächse blieb dies ein vernachlässigbarer Posten im kommunalen Haushalt. Hasselt muss weniger als 1 Prozent der städtischen Budgets an den Verkehrsanbieter zahlen. Das sind etwa 18 Euro im Jahr pro Steuerzahler.
Ähnliche Projekte gibt es in den brandenburgischen Kleinstädten Templin und Lübben. Beide haben etwa 15.000 Einwohner und in beiden Städten stiegen die Fahrgastzahlen um etwa das sechsfache. Bei beiden Kommunen fehlt allerdings ein Gesamtkonzept wie in Hasselt.
Und wenn nun alle Bedenkenträger sofort argumentieren, das sei alles unbezahlbar und sowieso nur das Alimentieren von Sozialträumen, weise ich auf die subventionierten Steuervorteile von mehr als 53 Milliarden Euro hin.
Ob Flugzeug- oder Schiffsbau, ob Containerindustrie oder Binnenschifffahrt, ob Kfz-Steuerbefreiung für Zirkuswagen oder ermäßigter Umsatzsteuersatz für Hoteliers- Geld ist genug da.
Beim Bund, den Ländern, Gemeinden und der Europäische Union summieren sich alle 2010 gezahlten direkten und indirekten Subventionen für Deutschland auf 164 Milliarden Euro.
Als realistisches Kürzungspotential ermittelte das Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW) Subventionen über 58 Milliarden Euro pro Jahr.
Die Frage ist doch, wo und für was Steuergelder eingesetzt werden und wie der ökonomisch und ökologisch unsinnige Individualverkehr, zumindest in Ballungsräumen, reduziert werden kann. Angesichts des ausgehenden Rohstoffes Öl und des immensen Bedarfes von Ländern wie China oder Indien, wird ein Liter Benzin oder Diesel in wenigen Jahren irgendwo bei vier Euro liegen.
Und wie denkt die etablierte Politik darüber?
Heiner Monheim, Professor für Angewandte Geographie und Raumentwicklung an der Universität Trier sagte dazu: „Die deutsche Politik will keine Verkehrsprobleme lösen, sondern Autos verkaufen und autofreundlichen Populismus betreiben“.
Johann I.
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