Freitag, 31. Mai 2013
Im Land der Hannoveraner oder im Ruhrpott?
Angenommen, der Mensch hätte wirklich eine Wahl und wäre nicht durch Vorfahren, Arbeitsplatz, Partnerwahl oder sonstige Bedingungen an einem bestimmten Ort in Deutschland wohnsitzend...?

Für den Ruhrpott würden sich heute freiwillig nur wenige Menschen entscheiden. Mit fünf Millionen sind es dort auch längst genug. Sie kamen vor 50, 100 oder 150 Jahren wie Gastarbeiter und blieben auch nach der eingestellten Förderung von Kohle ans Tageslicht, selbst nach dem „Aus“ für die Hochöfen.

Die meisten Gemeinden an der Ruhr sind heute pleite. Sie haben ihre Selbständigkeit längst eingebüßt und müssen sich, wie in der freien Wirtschaft in derartigen Fällen ein Konkursverwalter das Sagen hat, von hohen Staatsbediensteten aus der Landeshauptstadt Düsseldorf alles, was Geld kostet, sondergenehmigen lassen.
In der Zeitschrift MERKUR, Ausgabe Juni 2013, ergriff nun Prof. Dr. Claus Leggewie vom Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen das Wort über die sozialen und wirtschaftlichen Hintergründe heute an der Ruhr:

„...Die schiere Größe der Industriekombinate, die absolute Beinfreiheit der CEO, das Dickicht der
Doppelrollen und Multifunktionen, auch der Kulturmangel der Wirtschaftskapitäne (Ausnahmen bestätigen die Regel) und ihr fehlendes Gespür für die Sozialpflichtigkeit von Eigentum passen schon lange nicht mehr in eine moderne demokratische Gesellschaft.“

Er beklagt außerdem das dortige Fehlen von Mittelständlern und die erforderliche Vielseitigkeit der Wirtschaft an der Ruhr. Sie gerate in den „...Teufelskreis aus Deindustrialisierung, Verschuldung und Überalterung...“

In den vergangenen Jahrzehnten, als Kohle und Stahl für gutes Einkommen der Millionen im Ruhrgebiet sorgten, schauten Viele von ihnen spöttisch auf das vermeintlich grüne „Eierland“ um Hannover herab.

Inzwischen haben sich hier z. B kleinere Gemeinden zur prosperienden Mittelstadt Burgwedel zusammengefunden. Und, darauf sind wir Bürger besonders stolz: Über „Kulturmangel“ unserer örtlichen Unternehmer brauchen wir uns nicht zu beklagen. Im Gegenteil. Brauckmann, IKEA, Kind, Rossmann und Steinlen, um nur Einige zu nennen, beweisen gelebtes „Gespür für die Sozialpflichtigkeit von Eigentum“. Der überwiegende Teil ihrer Mitarbeiter würde ihren Burgwedeler Arbeitgeber als Arbeitsstätte weiter empfehlen.
Also, bitte:
Ein schöneres Kompliment können kultivierte Wirtschaftkapitäne eigentlich nicht erwarten. Was uns hier vielleicht noch fehlt, wäre ein überregionales, kulturelles Großereignis, das die herausragende Bedeutung des Wirtschaftsstandortes Burgwedel mitten im Lande auf elegante Weise in ganz Deutschland publik machte.
Zum Stolz aller Einwohner und den vielen, bei hiesigen Arbeitgebern weltweit Beschäftigten.
Was meinen Sie?
Freitag, 31. Mai 2013
© Karl Wilhelm Goebel

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