Freitag, 4. Mai 2012
Über das „bedingungslose Grundeinkommen“ sprach Prof. Götz Werner
Mehr als 500 Menschen zahlten 7 € Eintritt, nachdem sie zuvor in einer langen Schlange geduldig gewartet hatten, um eine der bedeutendsten Personen der Jetztzeit am Donnerstag, den 3.5. 12, im Pavillon Hannover, live zu erleben.
Wir politikverdrossenen Menschen erwarteten von dem 68-Jährigen trotz allen Vorwissens schon ein wenig einen Worthülsen-Verkäufer, einen engagierten Ideologen, einen neuen Volksverführer, der uns im gewohnten salbungsvollen, inhaltsleeren Politiker - Gedröhne sagen würde: Die da in Berlin haben wenig bis keine Ahnung. Ihr aber, wenn Ihr nur wenigstens eines meiner Bücher kauft und dann noch auf bestimmten Formularen ein Kreuzchen macht, seid eure Sorgen endlich los. Aber, es kam anders.

Ein schlicht gekleideter Mann, neben sich eine Mineralwasserflasche, Vater von sieben Kindern, Gründer von dm und heute Aufsichsratvorsitzender der dm AG mit allein in Deutschland 24 Ts. „Partnern“, sagt er bewusst und als Ausdruck einer anderen Denke, meint, und das ist signifikant für den Abend, in unserem Verständnis: Beschäftigte/Personal.

Er verkauft uns, zunächst mal, nichts, sondern fordert auf zum klaren Denken, nachdem wir zuvor unseren Speicher aktiv entleert und gereinigt haben. Das Wort „Grundeinkommen“ fällt erst irgendwann später, wenn die teilweise hilflosen Fragen von Menschen kommen, die leider ihren Speicher nicht geleert hatten.
Mir fällt aus meiner kindlichen Erinnerung noch Ludwig Erhard im Spiegelbild der kuriosen Diskussionen der damaligen Erwachsenen ein, als er für Deutschland die “soziale Marktwirtschaft“ einführte. Wir wussten von nichts. Allerdings bekamen wir Kinder – und das war prägend! - von unserer Mutter einen „Groschen“, mit dem wir 500 m weiter in einem kleinen Ladenlokal „Kolonialwaren und Lebensmittel“ für uns und nur für uns, etwas kaufen sollten. Wir Kinder, aus der Reichsmarkzeit an große Ziffern und vor allem an Scheine gewohnt, waren so misstrauisch der Münze gegenüber, allerdings vertrauensvoll zur Mutter, so dass wir die kleine Tüte roter Himbeerbonbons im Tausch als Folge eines Irrtums zwar einschätzten, was dem Händler sicher bald voller Erkenntnis-Schrecken auffallen müsste. In unserer Vorstellung sahen wir ihn deshalb schon bald mit wehenden Haupthaaren (wenige) aus dem Haus stürmen, um von uns die Bonbons wütend zurückzufordern. Noch zu Hause glaubten wir uns verfolgt. Aber, es war überhaupt nicht so: Ganz im Gegenteil. Wir wurden sogar als „nur Kinder“ von den Bäckern, Fleischern, Kaufleuten falsch – freundlich umgarnt. Die Kosumwelt mit all ihren schrecklichen Folgen hatte uns erreicht…
Zurück zu Götz Werner: Wir sind vollgestopft mit Klischees, mit vermeintlichen Standards, mit Auffassungen, dieses oder jenes müsse so sein. Und prompt kommt dann auch von einem besonders schlauen Redner, nicht Denker, wer denn bei dieser Supersituation, dank Grundeinkommen, die „Drecksarbeit“ mache. Okay, nach dem neuen System muss der Anbieter von Arbeit „Besonderes“ bieten, weil der Malocher sich unter mehreren Alternativen entscheiden kann: Lehnt er ab? Er muss ja nicht "arbeiten"! Fordert er mehr Lohn? Der Arbeitgeber muss flexibel werden. Arbeitet der Arbeiter lieber anderswo?
Endlich bekommt der „Partner“ des Arbeitgebers ein eigenes Gesicht, wird auf Augenhöhe wahrgenommen, denn ohne diese „Partner“ ist jeder Arbeitgeber ohnmächtig, wie ein Kapitän auf einem Schiff mit meuternder Besatzung.
Jeder „arbeitende Mensch“ muss in unserer Gesellschaft etwas leisten, was für einen Anderen, für den „Dritten“, geldwert ist. Ein ziemlich dummer Frager sprach von Künstlern, die in ihrer Einbildung vor sich hin werkeln, ohne die Seite der potenziellen Abnehmer zu beachten.
Alles in allem: Wenn sie Gelegenheit haben, sich mit dem Themenkreis „Bedingungsloses Grundeinkommen“ zu beschäftigen: Tun sie es, denn die Chancen seiner Realisierung sind dank der Offenheit gegenüber jeglicher Forschung oder weiterführender Diskussion keine Illusion und sogar international beachtet.
Das Geld für eines der Wernerschen Werke sollten sie dem örtlichen Buchhändler gönnen. Er hat es seit Internet - Amazon nicht gerade leichter…
Ideologien lehnt der Protagonist Werner ab. Er ist Fachmann für Anstöße, was er für jeden Verbraucher überprüfbar in den wirklichen Konkurrenzmärkten zu Rossmann ebenbürtig unter Beweis stellt. Im Gegensatz zu „Schlecker“, der laut Götz Werner nach der Regel unterging: „Wenn Du nicht mit der Zeit gehst, gehst du mit der Zeit…“
Und, noch ein Tipp: Googlen sie doch mal. Es bereitet ihnen ein Schönes Wochenende.

Freitag, 4. Mai 2012
© Karl Wilhelm Goebel
Anfügen möchte ich, quasi als Service, den Link, der zur Initiative Hannover führt. Auf deren Website ist, leicht verständlich, die Idee etc., beschrieben:
http://grundeinkommen-hannover.de/index.php?option=com_content&view=article&id=2&Itemid=2
(:-) Karl Wilhelm Goebel
Montag, 7. Mai 2012
Die Schweizer, gelegentlich wegen ihrer Langsamkeit verspottet, sind mit ihrer Bemühung um die Einführung des Systems des "bGE" deutlich weiter als wir in Germany. Doch klickt auf den Link und schon eröffnet sich ein Blick in die Zukunft:
https://www.grundeinkommen.de/02/05/2012/startschuss-fuer-die-volksinitiative-zum-grundeinkommen-in-der-schweiz-gefallen.html
Karl Wilhelm Goebel






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Das Grundeinkommen ist Notwendig und wird kommen
Auch ich war einer der Zuhörer am Donnerstagabend im Pavillon in Hannover. Mit dem Thema des bedingungslosen Grundeinkommens beschäftige ich mich seit einiger Zeit durch Selbststudium, meine grundsätzliche Haltung dazu ist positiv.
Nicht weil ich mir ein Hängemattenleben erträume (ich bin 68 Jahre und Rentner, werde also das Grundeinkommen nicht mehr erleben), sondern weil ich der festen Überzeugung bin, dass die Arbeitswelt wie wir sie derzeit wahrnehmen und in die wir so tief verwurzelt sind, dass wir uns nur schwer eine „andere“ vorstellen können, sich ändern muss. Und doch werden wir es müssen, und wenn wir in der Mehrheit klug sind- was nicht unbedingt zu erwarten ist- tun wir es jetzt und nicht erst kurz vor Ultimo, wie allerdings üblich.

Unser Wirtschaftssystem beruht nun mal zu einem großen Teil auf dem Einsatz von Geld, und daran würde sich ja nichts ändern, darum ist es von grundlegender Bedeutung, dass jeder Bürger Zugang zu einer gewissen Geldmenge hat, einem uneingeschränkten und allgemeinen Grundein-kommen, das jedem einzelnen eine Form der Unabhängigkeit sichern würde, die niemand je zuvor in der Industriellen- und Informations- Revolution genossen hat, mit Ausnahme vielleicht von Großgrundbesitzern oder Bank- und anderen privilegierten Vorständen. Frauen wären in ihrer Existenz nicht mehr von Männern abhängig, Arbeitnehmer nicht von den Löhnen der Arbeitgeber und Arbeitslose nicht mehr von einer Behörde. Der Tod eines Ernährers, der heute noch oft eine radikale Veränderung der Familiensituation nach sich zieht, würde nicht mehr so einschneidend sein, sondern gelindert werden.
Das überbordende Steuer- und Sozialversicherungssystem könnte zusammengefasst und vereinfacht werden. Zurzeit verteilt der Staat mehr Geld in Form von Steuerabschreibungen als in Sozialleistungen, aber nur wenige Menschen verstehen diese Tatsache.
Ein allgemeines Grundeinkommen würde die individuelle Risikobereitschaft und die Innovationsfreudigkeit erhöhen. Armut ist ein Hemmschuh für schöpferische Tätigkeit, die für Frauen, Jugendliche und ältere Menschen die Chance bietet, über produktive und nichtproduktive Tätigkeit Zugang zur Schaffung von Wohlstand zu erlangen, Aus- und Fortbildung lassen sich leichter in die Beschäftigung integrieren, die Arbeitsmotivation würde tendenziell das finanzielle Interesse als Hauptkriterium für eine Stellenwahl ablösen und für die Arbeitgeber wäre es einfache technologische Veränderungen zu beschleunigen, weil die Arbeitnehmer weniger Gründe hätten, für den Erhalt von Stellen zu kämpfen.
Es gäbe noch viel zu sagen, aber ich will ja hier nicht Herrn Werner ersetzen.
Die Linken wollen es, haben aber keine Glaubwürdigkeit weil sie als Kommunisten gesehen werden, die Piraten wollen es, haben aber keine Macht, was sich allerdings ändern kann.
Wo bleiben die etablierten Parteien? Die CDU hat immerhin schon mal prüfen lassen (Althausen- Modell), die Position der Grünen ist halbherzig und die gute, alte Tante SPD ist dagegen, was allerdings nicht verwunderlich ist, ist sie doch noch immer in den sozialistischen Grabenkämpfen verhaftet und propagiert als Arbeiterpartei die Verwirklichung des Menschen durch Arbeit. Weiter ist die SPD in den über hundert Jahren ihres Bestehens noch nicht gekommen.
Auch die FDP wirbt seit 2005 für ein "liberales Bürgergeld". Deren Konzept sieht aber obligatorische Arbeit als Gegenleistung für das Grundeinkommen vor.
Dazu sagt Professor Wehner, Professor für Arbeitspsychologie an der ETH Zürich: „Jedes Konzept passt grundsätzlich zum Menschenbild derer, die es entwerfen. Das "liberale Bürgergeld" ist ein Misstrauenskonzept. Es traut dem Bürger nicht zu, dass er zur Selbstrelativierung fähig ist, also zur sozialen Rücksichtnahme im Interesse der eigenen Selbstachtung“.
Besser und kompetenter kann man es nicht sagen und zum Glück hat sich diese Partei selbst erledigt. Hoffen wir jedenfalls.

Nach dem Vortrag- war es ein Vortrag, oder mehr ein philosophischer Plauderstündchen?- von Professor Götz Werner, der einigen Besucher zu wenig konkret war, zu wenig „Fahnenvorausträger“, einer der sie bei der Hand nimmt und sagt wo’s langgeht und vor allem wie- bin ich mir sicher, dass das Grundeinkommen auf einem guten Weg ist. Vermutlich werden die Schweizer wieder mal die Nase vorn haben.
Neben mir saßen einige Mitglieder der Piratenpartei, die zwar voll guten Willens waren, das Grundeinkommen zu befürworten, aber nach meinem Eindruck ein wenig enttäuscht waren, weil Werner ihnen nur mit auf den Weg gab, erst mal ihre Vorstellungen von Arbeit, Erwerbstätigkeit, Gesellschaft, Zutrauen und Vertrauen von der Festplatte zu löschen und sich auf ein spannendes Thema einzulassen, ganz ohne Power-Point-Präsentation und beeindruckendem Zahlenwald, den sowieso niemand nachvollziehen kann. Hier hilft nur die Einsicht jeden einzelnen in die ökonomische Notwendigkeit und in die unabdingbarkeit.
Jürgen Zimmer

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