Samstag, 19. Januar 2013
Hannover und „umzu“ heute
Vor etwa 30 Jahren schrieb ein Kolumnist in der ZEIT über Hannover, so ist Hannover in Deutschland die „Hauptstadt der Mittelmäßigkeit“. Mittelmäßig im gaußschen Sinne, ja, das stimmte schon, denn Hannover hatte kaum Superlative vorzuweisen, war zufrieden mit jedem Komparativ, denn hier war und ist auch heute noch kaum anderes als eine vielleicht bürgerliche Ordnung, den Deutschen nachgesagte, spaßfreie Vernunft, weder schreiende Armut noch hochgetakelter Reichtum oder gar, wie die unsolide Presse palavert, eine Geheimverbündelung am Werke Aber mehr als eine Million Menschen sind in der Region wohnhaft.
Der völkische Charme hat hier rechte Winkel.

Begonnen hatte die hannoversche Wiederauferstehung nach dem Kriege mit der alliierten Entscheidung für eine Industriemesse vor den Toren der Stadt. Schon bald kamen Millionen Besucher im kurzen Frühlingszeitraum. Messe, modernes Gelände, stets besser werdende störungsfreie Verkehrsanbindung, lebendiger Aufenthalt und die „aufgeräumte“ Gastgeberstadt einschließlich Umland wurden weltweit zum ökonomischen Must. Langsam wuchs ein positives, wenn auch bescheidenes Image, das jedoch von Berufsnarren, wie Harald Schmidt, Oliver Pochen und manchem Kabarettisten gerne tv - wirksam bespöttelt wurde. Hannover lebt gut, allein weil herabwürdigend vor Millionen über die Stadt hergezogen wurde?

In diesen Tagen wird erinnert an die Bombentat von 1943, als das Schloss im Barockgarten Herrenhausen in Trümmer gelegt wurde. Seit damals, also seit ca. 70 Jahren, blieb das aufgeräumte Grundstück, wie ein Mahnmal, leer, nur ein gemauertes Halbrund erinnerte. Heute vermutet man, das war eine kluge Tat von Verantwortungsvollen, die historisch belegte Planfläche frei zu lassen, denn durch das stumme nur Dasein wurde viel Nachdenken gefördert. Die Volkswagenstiftung machte es jetzt möglich:
Endlich feiert das Land Niedersachsen mit einem Ministerpräsidenten schottisch-deutscher Herkunft an der Spitze, den teuren Wiederaufbau und begrüßt als Gäste britische Prinzessinnen Jahrhunderte später an Ort und Stelle im Park des weißgelben, Königshauses „Hannover“. Dort wird an den damals hier tätigen großen Leibniz erinnert. Er soll in Zukunft für die hannoversche Wissenschaftslandschaft geistiger Vater werden. Oder bleiben.
Zeitgleich in den Kinos läuft ein Film über einen Sohn der Altstadt mit seinem tragischen Schicksal. Ein erfolgreicher hannoverscher Boxer mit Namen Trollmann. Der Film verweist auf subtile Weise auf die schreckliche braune Epoche, in der dieser Boxer wegen der Zugehörigkeit seines Vaters zu den „Zigeunern“ abtauchen musste.
Aber:
An diesem Wochenende ist Hannover auch noch aus einem anderen Grund im medialen Interesse. Hier werden politische Weichen gestellt, ob denn die aktuelle Koalition im Bund, in Berlin, Aussichten hat oder wie sich die Machtzukunft im ganzen Land gestalten wird.
Noch ein Hannover packendes Ereignis vom Freitag:
Fußball 96 verlor gegen Schalke 04 mit 4:5.

Zur Zukunft:
Mit einer kulturgeschichtlichen Verspätung von 1.200 Jahren wachsen in "H" Bedeutung und Historie langsam, langsam heran.
Bleiben wir geduldig.

Samstag, 19. Januar 2013
© Karl Wilhelm Goebel
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