Mittwoch, 22. Oktober 2014
Schöne junge Russinnen
Schöne junge Russinnen
begegnen uns meistens in Einkaufsmeilen oder auf dem Parkett gehobener Events, wo sie auf atemberaubenden Stilettos stehen und gehen und überhaupt im Glamour – Style, wie er uns von der Autorin Lauren Weisgerber teuflisch in Prada oder vom „Protagonisten der russischen literarischen Moderne“ Viktor Jerofejew z. B. sprachwitzig als „Die Moskauer Schönheit“ vorgeführt wurde.



Die Nr. 1 der russischen Bestseller-Autoren, Oksana Robski, schreibt unterhaltsam und auch komisch über „Kalinka“. Babuschkas Töchter, hier im „Westen“ jedenfalls, sind hyperschlank, topgepflegt, sorgfältig designt und auffallend ästhetisch gestylt, als wären sie von Marketingexperten für einen (sorry) Markt als sexy Appetizer zurechtgemacht.

Vielleicht geschieht uns das, damit wir Männer kapieren, es gibt nicht nur eine millionenschwere Hyperlady (in der internationalen Tenniswelt) die bekannte Maria Sharapowa, sondern Hunderte, wahrscheinlich Tausende, von hoch gewachsenen Ikonen russischer Herkunft.

Ja, sicher, eine der Ursachen für unsere ungewohnte Wahrnehmung ist sicherlich in der späten Öffnung des russischen „Reiches“ gegenüber dem Westen zu sehen. Die dortigen, mehr als einhundert Millionen, Frauen, nicht gerade konsumverwöhnt, erwärmen sich besonders gerne für den Luxus, wie er im früheren Russland, „ganz oben“, im Hochadel gepflegt wurde.
Eine alte Sehnsucht der Menschheit: Der Blick und das Streben nach „oben“...

Völlig unerwartet fand ich einen amüsanten, möglicherweise überraschenden Erklärungsansatz in dem Werk der intellektuellen Feministin und Philosophin Simone de Beauvoir, das sie 1951 herausgegeben hatte: „Das andere Geschlecht“.

Beauvoir bezieht sich darin auf ein Interview, das 1944 stattgefunden hat. Man könnte glauben, heute, ca. 70 Jahre später, wären die darin zu findenden Modeempfehlungen brandneu und würden von den heranwachsenden Mädchen und Jung-Frauen als Katechismus benutzt. Ich zitiere:

„...Olga Mischakowa, die Sekretärin des Zentralkomitees der Organisation der kommunistischen Jugend, hat 1944 (im Krieg also!) in einem Interview erklärt:
„Die sowjetischen Frauen sollen versuchen, sich so anziehend zu machen, wie die Natur und der gute Geschmack es irgend erlauben. Nach dem Krieg sollen sie sich als Frauen kleiden und als Frauen bewegen...Man muss den Mädchen sagen, sie sollten sich wie Mädchen betragen und bewegen, und deshalb wird man sie wahrscheinlich sehr enge Röcke tragen lassen, die sie zum anmutigen Gehen zwingen.“

Im September 2004, also sechzig Jahre später, veröffentlichte die Marktforscherin Dr. Sigrid Schmidt ihren Band, „Der russische Konsument“, worin sie ein lebhaftes, journalistisches, Bild von der modernen, russischen, Frau entwirft.

Es überrascht den Leser, dass die moderne Russin beim eigenen Styling den „Blick des Mannes“ zum Maßstab erhebt, denn sie „will gefallen“. Sie geht in der Regel sogar einen Schritt weiter, wenn sie alles tut, „damit ihr Verlobter oder Mann in der Öffentlichkeit mit ihr Aufmerksamkeit erregt und vor allem um sie beneidet wird...“

Und weiter: „Kleidung gefällt in Russland den Frauen vor allem, wenn es modische Stücke bekannter Marken sind, im Stil weiblich, sexy und an keiner anderen Frau zu sehen...“

Und dann, weil es den Bogen zu der Aussage von 1944 schlägt, noch folgende Notiz:
„...Im Sommer hingegen kann man in Russland Frauen in atemberaubend kurzen Röcken, durchsichtigen Blusen oder engen bauchfreien T-Shirts auf unheimlich hohen, spitzen Schuhen über die Boulevards stöckeln sehen...“


Man mag es nicht glauben:
Wir brauchen heute, 70 Jahre danach, eine Fernsehsendung, in der ein kubanischer Atomwissenschaftler mit besonderer Begabung, selbst auf High heels schreitend, den Kandidatinnen versucht, feminine Gangtechnik zu vermitteln.
Und das so viele Jahre nach der Geburt von Barbie...

© Karl Wilhelm Goebel

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